Viele Mütter heißen Anita
geklettert und habe gewartet, ob ich dich sehen würde. Und nun habe ich dich in meinen Armen.« Sie klammerte sich an ihn und trank seine Küsse mit offenen Lippen und halb geschlossenen Augen, über denen die langen, gebogenen Wimpern zuckten.
»Komm«, sagte Juan tief atmend. »Komm hinauf in mein Zimmer, Concha …«
»Aber das geht doch nicht …«, sagte sie ängstlich. »Wenn man mich sieht …«
»Wir werden über die Terrasse auf den Balkon klettern. Ich helfe dir dabei, Concha.«
»Ich habe Angst«, sagte sie kläglich und zitterte.
»Angst vor dem Klettern?«
»Nein, Juan – Angst vor deinem Zimmer …«
»Du liebst mich doch, Concha …«
»Ja, Juan … ja.« Sie lag an seiner Brust und bebte. Er streichelte ihren Rücken und ging mit ihr langsam der Terrasse zu. Mit geschlossenen Augen ließ sich sich führen, und ihre Hand, die Juan hielt, war kalt, als friere sie.
Dann standen sie in Juans Zimmer, und er rollte das zusammengeknotete Bettzeug zusammen und zog es empor. Concha knüpfte es auseinander und breitete das Bettuch wieder aus, überzog das Bett und klopfte es zurecht. Stumm sah ihr Juan zu … als sie sich einmal bückte, rutschte ihr Kleid etwas höher, und er sah den Ansatz ihrer Schenkel. Da blickte er schnell zur Seite, denn es sang in seinen Schläfen wie damals, als er Jacquina an seiner Seite gehen sah, und sein Herz hämmerte gegen die Brustwand, als wäre es eingesperrt und wolle hinaus.
»Du bist so still, Juan!« sagte Concha und schloß die Glastür, zog die Vorhänge zu und stand dann mit hängenden Armen und gesenkten Augen im Zimmer. Da kam er auf sie zu, umfing sie und küßte sie wieder.
»Wann mußt du wieder fort?« fragte er in ihr Ohr. Sie bog sich ein wenig zurück, und er sah, daß Tränen in ihren Augen standen.
»Vielleicht schon morgen, Juan«, schluchzte sie. »Und dann sehe ich dich vielleicht Jahre nicht mehr.«
»Und du wirst warten, bis ich komme, Concha?«
»Ja, Juan. Ich könnte keinen anderen lieben …«
»Ich könnte es auch nicht«, sagte er, und er schlang den Arm um ihren Körper und legte sein Gesicht auf ihre kleine Brust. »Nur ein paar Stunden …«, stammelte er. »O Concha – wie kurz ist der Himmel, wenn er auf die Erde fällt …«
Unten, in seinem Schlafzimmer, knipste Fredo Campillo das Licht aus und legte den Roman zur Seite. Dunkel lag das große weiße Haus im Park … dunkel war es auch im Zimmer Juans.
Und die Zypressen rauschten im Nachtwind und erzählten den Sternen das Glück der Menschen …
Es wurde Oktober, und das Leben in der Sierra Morena war noch immer das gleiche, denn hier änderte sich nichts, was seit Jahrhunderten sich durch die Landschaft geformt hatte. Anita Torrico hatte auf ihren Brief an Prof. Moratalla keine Antwort bekommen, und sie zuckte nur mit den Schultern, wenn sie daran dachte, und sagte sich, daß es eben so sei und die großen Herren sich nicht um das Leid einer alten, armen Bäuerin kümmern, die den kurzen Brief ungelenk mit vielen Fehlern geschrieben hatte. Juan schickte ab und zu eine Karte oder einen kurzen Brief aus Madrid und schrieb, daß es ihm gut gehe, daß er im Herzen nichts mehr spüre, daß Campillo ihm die Kunstschätze Spaniens zeige und er sehr viel lerne und der beste Schüler seiner Klasse auf der Madrider Akademie sei. Darüber freute sich Anita, und Pedro war so stolz, daß er des Abends in Solana del Pino den Brief Juans herumzeigte und sich brüstete, einen Bruder zu haben, der klüger sei als drei Solana del Pinos zusammengenommen. Er machte sich damit nicht sehr beliebt bei den Bauern, aber das war ihm, dem bullenstarken Mann, auch gleich, denn es wagte keiner, ihm das zu sagen. Elvira wurde stärker, das Kind schien so kräftig wie Pedro zu werden, und das vermehrte seinen Stolz derart, daß er sich in Mestanza ein buntes Hemd und einen grellgelben Schlips kaufte und wie ein feiner Gutsherr des Sonntags in die Kirche ging und besonders laut sang und reichlich in den Klingelbeutel tat.
Dr. Osura war in diesen Monaten fünfmal bei den Torricos und sah nach Anita und ihrer Wassersucht. Er punktierte sie wieder und lachte, als sie ihn fragte, wie alt sie wohl werden könne.
»Wenn du so weitermachst, kann du die älteste Frau Spaniens werden«, rief er fröhlich. »Du weißt doch, wie zäh Katzen sind …«
Da lächelte selbst die immer stiller und nachdenklicher werdende Anita und setzte sich mit Dr. Osura draußen vor dem Haus auf die Bank.
»Geht es Juanito
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