Viele Mütter heißen Anita
schwach in das Dunkel, in dem die Männer hockten. Er verstärkte den Druck, der über allen lag und ihnen das Atmen hemmte.
»Was werden Sie tun?« fragte die leise Stimme Dr. Osuras aus dem Dunkel heraus.
Moratalla reckte sich. Man hörte, wie die Nähte seines Anzuges knackten.
»Gehen wir, meine Herren«, antwortete er fest. Seine Stimme war wieder hart und tönend. »Ich will mir unseren Patienten ansehen …«
Und er verließ das Zimmer, ohne sich umzublicken, denn er wußte, daß sie ihm alle folgten …
Es war eine Woche später.
Ricardo Granja hatte ein gutes Geschäft gemacht. Er war in den Tagen der Toledoreise seiner Frau und seiner Tochter im Land umhergefahren und hatte einiges Land aufgekauft, Brachland, wie er sagte, aber nur den Bauern gegenüber, die es gerne loswerden wollten. Denn kaum war er im Besitz der Landstriche, da holte er sich einen Bewässerungsingenieur, der mit einigen schnellen Zeichnungen die Felder theoretisch unter Wasser setzte, indem er von dem nahen Rio Montoro und Rio Fresnedas kleine Kanäle ins Land zog und das Wasser in einer Talsohle staute. So gewann Ricardo in dieser Woche durch ein paar geschickte Verhandlungen große Strecken fruchtbaren Bodens, und dieser Fang war es wert, gefeiert zu werden. Der Kauf allerdings führte es mit sich, daß er dringend nach Madrid mußte, um diese neuen Güter eintragen zu lassen und vor allem zu erwirken, daß dieses nun erweiterte große Gut nicht unter den Begriff Großgrundbesitz und damit unter hohe Steuern fiel, sondern in die Kategorie der staatlich bevorzugten Erbbesitze eingestuft wurde, da in Spanien ein Landedelmann mehr gilt als 100 Städter oder 1.000 Bauern.
In dieser Woche hatte Concha auch von Frau Sabinar die neue Anschrift Juans erhalten. Madrid, bei Fredo Campillo, Direktor der Staatlichen Kunstgalerie. Nun, wo der Vater nach Madrid fahren mußte, bettelte sie zwei Tage lang um die Erlaubnis, mitfahren zu können, was Ricardo Granja gar nicht gefiel, denn er plante, seinen Gewinn mit einer rauschenden Nacht fernab der Familie zu feiern mit den schönen Mädchen von Madrid, von denen so viel gesprochen wurde.
Pilar, dick und bequem, war froh, daß Ricardo fuhr. Sie konnte dann in aller Ruhe ihre Pralinen essen und bis mittags im Bett liegen und lesen, während das Dienstmädchen sie bediente und kochen mußte. Auch Concha war dann im Wege, und so lag sie Ricardo auch in den Haaren, die Tochter mitzunehmen, und der arme Mann wand sich und drehte sich und war doch nicht klug genug, so starke Argumente zu finden, die eine Mitfahrt Conchas verhinderten.
Resignierend sagte er schließlich zu, und Concha packte singend ihre Koffer. Während Ricardo in Solana del Pino seinen Kummer betrank und sich verfluchte, jemals den Weg Pilars gekreuzt zu haben, gab diese ihrer Tochter weise Ratschläge, wie sie den Vater zu begleiten habe, vor allem an den Abenden, denn sie wußte nicht, daß Juan in Madrid war und Concha kein Interesse hatte, den Spion ihrer Mutter zu spielen. Sie sagte es auch dem Vater. »Ich will Madrid gerne allein sehen«, sagte sie einen Tag vor der Abreise. »Ich habe doch andere Interessen als du, Vater. Du läßt mich doch allein gehen?«
Ricardo war sehr erbost, aus rein erzieherischen Gründen, und er schimpfte sehr, wenn er auch im Inneren sehr froh war und sich zu solch einer Tochter beglückwünschte. Er drohte und schrie: »Nie!« Er tobte und brüllte: »Ich habe ein loses Mädchen als Tochter! Warum straft mich Gott so?!« Aber Concha wußte, daß er nur schrie in Gegenwart der Mutter, und Pilar war sehr zufrieden, daß ihre Tochter so klug war, denn sie dachte, daß Concha ihrem Vater das nur gesagt habe, um ihn selbst zu bewegen, sie in seiner Nähe zu halten.
So war alles wohl geordnet und alles sehr zufrieden, als der Wagen Ricardo Granjas an einem frühen Morgen aus Solana del Pino hinausfuhr und Pilar noch wohlig in den warmen Kissen lag und die Abreise verschlief, wie sie so manches im Leben verschlafen hatte.
Die Fahrt durch das Hochland von Kastilien war einsam und ermüdend. Ab und zu begegneten ihnen ein paar frühe Eselskarren und ein Ochsengespann, und die Bauern, die den reichen Handelsmann kannten, grüßten schön und waren erstaunt, was er so früh mit seiner Tochter auf der Landstraße machte.
Concha schlief bald ein … das gleichmäßige Brummen des Wagens, das Wiegen der Karosserie auf den weichen Federn, die eintönige Landschaft waren wie eine einzige große
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