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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wirklich besser, wie er schreibt?« fragte sie dann.
    »Es scheint so«, wich Dr. Osura aus.
    »Von dem einen Jahr, das er zu leben hat, sind jetzt zwei Monate herum, Herr Doktor.«
    Dr. Osura hob beide Arme. »Es kann sein, Anita, daß sich auch Männer wie Professor Moratalla irren. Vielleicht gibt es wirklich noch ein Wunder …«
    »Ich werde Sonntag wieder eine dicke Kerze opfern«, nickte Anita. »Vielleicht erhört mich die Mutter Maria. Sie ist doch auch eine Mutter, Herr Doktor, und sie weiß, wie ich leide. Sie hat doch auch ihren Sohn verloren …«
    »Wir wollen daran glauben«, sagte Dr. Osura leise.
    Dann verabschiedete er sich jedesmal sehr schnell, um weiteren Gewissenskonflikten aus dem Weg zu gehen. Denn was er wußte, konnte er Anita nicht sagen, und die Briefe, die er von Prof. Moratalla erhielt, lagen fest verschlossen in seinem Schreibtisch in Puertollano. Einer von ihnen lautete:
    Madrid, 24. September 1952
Sehr verehrter Herr Kollege! In großer Eile – Sie werden es bei dem Andrang in meiner Klinik entschul digen – das Ergebnis der letzten Untersuchung von J.T.:
    Röntgenbild: Geschwür im Herzbeutel in leichter Ausdehnung mit zackenförmiger Erweiterung auf die Gewebe. Keine Nässung mehr, was sehr bedenklich ist. Die Sekretion hört anscheinend auf zugunsten eines Wachstums des Geschwürs.
Allgemeiner Befund des Patienten: Gut. Keine Schmerzen, keine Beschwerden. Gewichtszunahme, aber nachts leichte Kreislaufstörungen ohne nennenswerte Erscheinungen.
Diagnose: Falls das Geschwür die Ausdehnung erreicht, daß es den Herzmuskel unmittelbar hemmt, ist eine Stenose zu erwarten. Bei starker, plötz licher Sekretion des Geschwürs ist mit größter Wahrscheinlichkeit mit einem Exitus zu rechnen. Dauer des hinhaltenden Zustandes etwa noch 7 – 9 Monate. Indikation: Ruhe. Genaue Beobachtung. Schonung und im übrigen war ten, ob Eingriff möglich wird. Meine Forschungen gehen weiter. Wir wollen die Hoffnung nicht verlieren.
    Mit herzlichem Gruß Ihr Moratalla.
    Es war ein trostloser Brief, und Dr. Osura las ihn mehrmals mit tie fer Bedrückung, ehe er ihn wegschloß. Von Fredo Campillo vernahm er das Gegenteil – er schrieb, daß Juan sehr fleißig sei, daß seine Lehrer ihn lobten, daß er Bilder male, wie sie noch keiner ge sehen habe, und daß seine Bildhauerentwürfe die Tradition der Klassik und Antike wieder aufkommen ließen.
    Körperlich sei er in der besten Verfassung, und wenn auch Prof. Moratalla Bedenken habe, er, Campillo, glaube, daß alles nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht ist.
    Sollte er dies alles der alten Anita sagen? Er sah, daß sie trotz des Wissens um die tödliche Krankheit Juans noch immer eine schwache Hoffnung hatte, daß sie an ein Wunder glaubte mit dem ungeheuer kräftigenden primitiven Vertrauen auf die Allmacht Gottes, und daß dieser Glaube ihr alles war und sie zurückhielt vor dem Zusammenbruch. Wenn er dann bei Anita saß und in ihr gelbliches, runzeliges Gesicht sah, in diese Augen, die so forschend und doch so gütig blickten, dann stockten ihm die Worte auf der Zunge, und er flüchtete sich in einen platten Witz, um nicht daran zu denken, was in einigen Monaten sein würde.
    In dieser Woche aber, in der Dr. Osura von den Torricos kommend einen Tag in Solana del Pino Sprechstunde hielt, kam Concha zu ihm.
    Sie kam heimlich zu ihm, durch die Hintertür, gegen Abend in der Dämmerung, einen Schal dicht um den Kopf gezogen und mit Augen, die von heimlichem Weinen gerötet waren. Sie setzte sich scheu auf einen Stuhl von Dr. Osura und sah ihn mit ihren schwarzen Augen an, und aus ihnen schrie eine Qual, die den Arzt zusammenfahren ließ.
    »Du hast Nachricht von Juan?« fragte er erschrocken.
    Concha schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Bist du krank?«
    »Nein.«
    »Was hast du denn, Concha?«
    Sie klammerte sich an dem Stuhlsitz fest und schluckte mehrmals, ehe sie sprach. »Der Vater und die Mutter wissen es nicht«, stotterte sie. »Sie dürfen es auch nie wissen. Nie! Mir … mir ist so merkwürdig, Doktor Osura … hier, im Inneren. Morgens bin ich schwindelig, und ich muß mich erbrechen. Und … und … Oh, Doktor Osura …« Sie weinte auf und verbarg das Gesicht hinter den Händen.
    Dr. Osura war blaß geworden, kalkig wie die Wand des Zimmers. Er sah Concha an, und er wußte ihr Geheimnis. Es warf ihn völlig um; er rang die Hände und rannte im Zimmer hin und her.
    »Mein Gott«, sagte er erschüttert. »Warum habt ihr das getan?! Ihr

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