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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dicken Arme durch die Luft.
    »Wir fahren sofort nach Madrid! Mit dem nächsten Zug.«
    »Das ist nicht nötig. Man hat uns einen Wagen geschickt. Er wartet unten bei der Wache.«
    »Er soll gefälligst heraufkommen!« schrie Pilar. »Oder glaubt man, ich komme hinunter ins Dorf und steige vor dreihundert gaffenden Bauern in einen Polizeiwagen? Ich erwarte ihn hier!«
    Der Polizist grüßte und wollte das aufgeregte Haus verlassen, als ihn die Stimme Pilars, die schon auf der Treppe stand, zurückriß.
    »Wen soll mein armer Mann angegriffen haben?« schrie sie drohend. »Weiß man das wenigstens?«
    »Jawohl, Señora. Und das macht alles so kompliziert. Es ist Señor Juan Torrico.«
    »Juan«, stammelte Concha. Dann griff sie um sich, suchte einen Halt, aber da sie mitten im Flur stand, griff sie ins Leere und fiel nach vorn zu Boden, auf das Gesicht, und sank in sich zusammen.
    Pilar schrie grell auf. Zwei Mädchen und der Gärtner stürzten herein, auch der Polizist sprang hinzu, man richtete Concha auf und trug die Ohnmächtige in den Salon. Während die Mädchen sofort Wasser und Kölnisch Wasser holten und das Gesicht des Mädchens damit abrieben, rannte Pilar schreiend hin und her und rang die Hände.
    »Wer ist Juan?« weinte sie. »Der junge Torrico? Was hat Concha mit Torrico zu tun?« Sie beugte sich über das Mädchen und schüttelte es. »Conchita!« rief sie. »Wach auf. Was hast du mit diesem Bauernlümmel?!« Aber da die Ohnmacht tief war, gab Concha keine Antwort, und Pilar schwankte auf ihr Zimmer, um sich für die Reise anzuziehen.
    In ihrem Zimmer verlangte sie telefonisch Dr. Osura. In Madrid sei er, sagte man ihr. In der Nacht abgefahren. Sie wollte von Solana del Pino einen Boten zu den Torricos schicken, aber auch dort wußte man schon alles. In der Nacht abgeholt. Mit einem Militärflugzeug.
    »Mit einem Flugzeug?« stotterte Pilar. »Die Torricos?«
    Sie sank auf ihr Bett. Dann stimmt es doch. Ricardo wollte den jungen Juan ermorden! Aber warum? Warum bloß?! War Ricardo irrsinnig geworden? Sie saß auf der Bettkante und vergaß, sich weiter anzuziehen. Die Erkenntnis, daß ihr Mann in Madrid hinter Gittern saß, angeklagt des furchtbarsten Verbrechens, das es gibt, lähmte sie plötzlich.
    Mechanisch griff sie nach dem Haustelefon und schellte zu der Küche. »Ist meine Tochter wieder erwacht?« fragte sie.
    »Ja, Señora.«
    »Sie soll sofort heraufkommen.«
    »Das geht nicht, Señora.« Die Stimme des Mädchens war voller Angst. »Die Señorita ist soeben mit dem Polizisten ins Dorf gegangen.«
    Pilar warf den Hörer auf die Gabel und weinte. Von allen verlassen bin ich, dachte sie. Keiner kümmert sich um mich. Ich bin ein armes, schutzloses Weib. Dieser Gedanke des Märtyrertums ihres Lebens erschütterte sie. Sie zog sich langsam an und atmete auf, als sie auf der Zufahrtsstraße das Knirschen der Reifen des Polizeiautos hörte. Sie puderte sich noch einmal und war dann ganz die große Dame, die vornehm und unnahbar die Treppe herunterkam, den Polizeisergeanten kaum eines Grußes für würdig hielt und in den Wagen stieg wie eine Königin.
    Concha saß nicht in ihm, und Pilar verlor einen kurzen Augenblick ihre Fassung.
    »Wo ist meine Tochter?« rief sie ängstlich.
    »Sie wird gleich abgeholt. Señorita Concha ist noch auf der Wache und telefoniert mit Madrid.«
    »Ein kluges Mädchen«, sagte Pilar stolz und war beruhigt. Knatternd rollte der Wagen durch die Berge. Sie lehnte sich zurück und musterte die Landschaft wie auf einer Vergnügungsfahrt.
    Ricardo einen ermorden, dachte sie dabei. So eine Dummheit! Und ausgerechnet Juan Torrico!
    Man darf die Männer wirklich nicht allein wegfahren lassen. Es gibt immer Unannehmlichkeiten. Männer sind wie Kinder, wenn sie wegfahren. Wie Kinder, die ohne Aufsicht spielen dürfen.
    In der Zwischenzeit sprach Concha mit Madrid mit der Klinik Prof. Moratallas.
    Dr. Tolax stand am Apparat, in Gummischürze und weißer Haube.
    »Nein«, sagte er leise. »Nein, Sie können Juan nicht sprechen. In fünf Minuten operieren wir. Wie bitte? Nein, ich darf Ihnen keine Auskunft geben. Aber ich darf Ihnen sagen, daß es sehr, sehr ernst ist …«
    Zitternd legte Concha den Hörer hin und senkte den Kopf.
    »Mein Gott«, sagte sie leise. »Vergiß nicht, daß ich von Juan ein Kind bekomme …«
    In seiner Wohnung, verschanzt hinter Büchern in seiner Bibliothek, saß an diesem Vormittag Prof. Dalias und wartete auf einen Anruf. Während des Lesens

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