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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Moratalla bei Ihnen?«
    »Nein. Er ist soeben gegangen.«
    »Hm. Und wie denken Sie über dieses Unglück?«
    »General Campo wird Mordanklage erheben.«
    Man hörte, wie Dalias mit der Faust auf den Tisch hieb. Seine Stimme überschlug sich fast. »Solch ein Idiot! Mord! Herr Generalstaatsanwalt – bitte nehmen Sie eine Anzeige auf. Eine Selbstanzeige! Ich bekenne mich der Mithilfe schuldig! Ich habe Moratalla geholfen! Bitte, erheben Sie Anklage gegen mich! Ich werde von mir aus gleich meine Entlassung einreichen. Wenn Moratalla geht, gehen wir alle! Hören Sie! Alle bekannten Ärzte Madrids und – wenn es sein muß – Spaniens!«
    »Das ist Rebellion!« schrie der Generalstaatsanwalt. Hilflos sah er den Justizminister an. Dieser war bleich geworden und stützte sich schwer auf die Tischplatte. »Man wird Sie und Ihre Kollegen zwingen! Ein Boykott der Ärzte – das ist gegen das primitivste Menschenrecht! Denken Sie an die Kranken!«
    »Ich denke an das Recht!«
    Es knackte im Apparat – Dalias hatte eingehängt. Verwirrt sah der Generalstaatsanwalt auf den Justizminister. Was soll ich jetzt tun, sollte es heißen. Exzellenz, helfen Sie mir doch!
    Der Justizminister steckte die Hände in die Taschen und sah an die getäfelte Decke des Zimmers. Das Ausmaß, das der Tod dieser kleinen, alten Bäuerin aus der Sierra Morena erreichte, erschreckte selbst ihn.
    »Wir müssen starke Nerven haben«, sagte er leise. »Mir scheint, daß es um mehr geht als um eine mißlungene Operation. Ich habe das Gefühl, daß nicht nur Madrid, sondern die ganze Welt den Prozeß anhören wird …«
    Um zwölf Uhr mittags schellte es bei Dr. Tolax im Zimmer. Er blickte auf das Klingelbrett, und ein heißer Strom durchzog seinen Körper.
    Zimmer Prof. Moratalla!
    Er war wieder da! Man hatte ihn nicht verhaftet. Er war frei!
    Dr. Tolax rannte aus seinem Zimmer, über den Gang, die Treppe hinunter, stieß auf dem Flur gegen Dr. Albanez und Dr. Estobal, die mit trauriger Miene ins Kasino gingen, um Mittag zu essen.
    »Der Chef ist wieder da!« schrie Dr. Tolax. »Er hat bei mir geschellt.«
    Dr. Albanez hieb seinem Kollegen Estobal auf die Schulter, daß es krachte. Sein Gesicht strahlte.
    »Er ist da!« Seine Stimme überschlug sich fast. »Jungs – wir gehen alle hin!«
    Sie rannten gemeinsam den Gang entlang und stürzten zusammen in das große Zimmer.
    Moratalla saß in seinem weißen Mantel am Schreibtisch und betrachtete in der grellen Mittagssonne ein Röntgenbild. Er blickte kurz zur Tür, und ein Lächeln huschte über seine Augen.
    »Ich habe Doktor Tolax geschellt!« sagte er ernst.
    »Herr … Herr Professor!« Dr. Albanez stotterte. »Sie sind wieder da! Man hat Sie nicht …«
    Moratalla blickte auf ein Blatt Papier auf seinem Tisch.
    »Doktor Albanez – Sie haben jetzt laut Plan Mittagspause. Sie auch, Doktor Estobal. Ihr Essen wird kalt, wenn Sie nicht gehen! Um zwei Uhr will ich in Saal eins operieren.«
    »Die Gallenblase?« schrie Dr. Tolax außer sich vor Freude.
    »Ja, selbstverständlich. Und die Abendvisite wie immer zusammen, meine Herren. Ist alles klar auf den Stationen?«
    »Ja.« Dr. Albanez und Dr. Estobal nickten glücklich.
    »Und Juan?«
    »Ihm geht es verhältnismäßig gut. Das Herz arbeitet normal.«
    »Weiß er von dem Tod seiner Mutter?«
    Dr. Tolax schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht. Auch sein Bruder, der seit heute morgen an seinem Bett sitzt, hat ihm nichts gesagt.«
    »Das ist gut. Er darf es auch nicht erfahren. Er braucht unbedingte Ruhe! Um jeden Preis!« Moratalla nahm die Röntgenplatte wieder auf. »Die Herren gehen jetzt bitte ins Kasino. Sie, Doktor Tolax, kommen bitte näher und betrachten diese Platte …«
    Ja, es war so wie immer in all den Jahren. Es hatte sich nichts geändert – viele Menschen waren in diesem großen Haus gestorben, noch mehr hatten es gesund verlassen. Und diese alte, kleine, dicke Frau, die jetzt unten im Keller lag, in einer der schmalen, dunklen, elektrischen Kühlzellen, war nur eine Tote wie alle die Nachbarn rechts und links von ihr. Sie hieß Anita Torrico, und sie starb an einer Herzoperation. So stand es in den Krankheitsakten. Ein klarer Fall … aber sie war eine Mutter, wie Tausende Mütter, die hier gelegen hatten, nur daß sie starb, weil sie ihren Sohn damit rettete, daß ihr Tod sein neues Leben war. Ein Opfer? Ein großes Opfer? Die Zeitungen draußen in der Welt schrieben es. Die Zeitungen von Madrid, von Toledo, von Sevilla und Barcelona,

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