Viele Mütter heißen Anita
von Paris, Marseille, London, Berlin, München, New York, Tokio, Moskau, von Rio de Janeiro, Buenos Aires und Lima, von Belgrad, Istanbul und Stockholm schrieben es.
Eine Mutter gibt ihr Leben! Ein Herz für den Sohn! Und man las es beim Morgenkaffee … der Herr Schulze nickte, Frau Smith weinte sogar, Taki Hayona in Kyoto las es und Lady Cornwith, Pawlow Simonowitsch und Frerk Björnson. Die Illustrierten brachten Bilder von Prof. Moratalla und seiner herrlichen Klinik, ein Interview mit Dr. Tolax und eine Stellungnahme Prof. Dalias'. Zwei Tage lang war der Name Moratalla eine fette Schlagzeile, Reporter verdienten sich einen neuen Anzug, wenn sie ein Bild von ihm knipsen konnten. Aber nach diesen Tagen stürzte über dem Atlantik eine Superfestung ins Meer, und ein Dampfer kam in Seenot. Man zählte zusammen und sah, daß es bisher 48 Tote waren. Und diese 48 erschlug die 1, diese kleine, arme, dicke 1, die Anita Torrico hieß und die ihr Leben für den Sohn gab. Sie erschlug auch den Namen Moratalla, und Herr Schulze, Frau Smith, Taki Hayona, Lady Cornwith, Pawlow Simonowitsch und Frerk Björnson hatten beim Morgenkaffee eine neue Sensation: 48 Tote! Ein fetter Tag für die Zeitungen. Die Reporter rasten weg aus Madrid und knipsten 48 Särge und einen Schwarm weinender Menschen. Welche Möglichkeiten! Welche Bilder! Wer ist zuerst am Platz? Das New York Journal oder die World Times? 10.000 Dollar für das beste Bild!
Wer war denn Anita Torrico? Ach so, eine Mutter, die ihr Herz gab. Kleiner Fisch das …
Prof. Moratalla saß am Bett Juans.
Sein Kopf war etwas gehoben durch einige Kissen, die gelb-weiße Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Eine Bluttransfusion, die man ihm zehn Stunden nach der Operation gegeben hatte, schien ihn gekräftigt zu haben.
Still lag er da, aber er lächelte, als er Moratalla eintreten sah und er sich bei ihm niedersetzte.
»Ihnen geht es ja blendend«, sagte er fröhlich. »Der kleine Schnitt auf der Brust wird bald verheilt sein, und dann ist es aus mit der ganzen Krankheit!«
»Ich werde wieder ganz gesund sein?« Die Worte waren mühsam gesprochen, Juan rang noch mit den Lauten, als habe er in den wenigen Tagen das Sprechen verlernt. »Ganz gesund?«
»Ja, Juan.«
»Und wann kann ich meine Mutter sehen?«
Pedro, der am Tisch stand, wandte sich ab und trat an das Fenster. Verzweifelt blickte er hinaus in den Garten. Seine Augen waren wieder schwer von Tränen.
»Ihre Mutter wird bald kommen«, sagte Moratalla ohne Beben in der Stimme. »Noch sind Sie zu schwach, um Besuch zu empfangen.«
»Aber Pedro ist doch hier! Die Mutter kann doch den Hof nicht allein besorgen! Sie ist doch so alt und – krank …«
Moratalla legte ihm die Hand auf den Arm. »Nicht aufregen, Juan«, meinte er und lächelte. »An alles ist gedacht. Die Nachbarn und einige Bauern in Solana del Pino haben tageweise ihre Knechte zur Verfügung gestellt.« Er schluckte. »Ihrer Mutter geht es gut, Juan. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie hat es jetzt besser als vorher.«
Am Fenster schluchzte Pedro. Moratalla sprach lauter, damit Juan es nicht hörte, und warf einen warnenden Blick auf den gebrochenen Riesen.
»Doktor Osura ist bei ihr, und krank ist sie auch nicht mehr.«
Juan sah sich im Zimmer um und befühlte seine Brust, die dick verbunden war.
»Was ist denn eigentlich geschehen?« fragte er. »Ricardo Granja hat mich zu Boden geschlagen!« Er wollte emporschnellen, aber Moratalla drückte ihn sofort zurück. »Stimmt es … daß Concha … daß Concha … Stimmt es wirklich?«
»Ja, Juan.«
»Das habe ich nicht gewollt.« Er bedeckte die Augen mit den Händen. »Ich habe sie so lieb, aber ich wollte ihr nicht weh tun. Granja wird sie totschlagen …« Er blickte plötzlich wild auf. »Wenn er das tut, Herr Professor, erschlage ich Granja, wenn ich wieder gesund bin!«
»Aber Juan!«
»Ja, das tue ich! Mich kann keiner hindern, wenn er Concha nur ein Haar krümmt!«
»Er wird es nicht tun. Concha und Señora Granja sind gestern abend angekommen und haben Ricardo Granja aus dem Gefängnis abgeholt.«
»Concha ist hier?« Ein seliges Lächeln glitt über Juans Gesicht. »Sie wird mich besuchen. Darf sie denn kommen, Herr Professor …?«
»Wenn Sie mir versprechen, ganz brav zu sein und ruhig zu liegen …«
»Ich will mich nicht rühren. Bitte, bitte, lassen Sie Concha zu mir kommen … Und – schreiben Sie der Mutter, daß sie auch kommen soll. Nur einen Tag. Ich bin ja
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