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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Ich sehe nach Juan, meine Herren. Und –«, er stockte und sprach dann tapfer weiter – »ich hoffe, Sie am Mittag noch einmal in meinem Zimmer zu sehen.« Und leise fügte er hinzu. »Ich hoffe es …«
    Er drückte Dalias, Campillo und Tortosa die Hände, legte einen Augenblick seine Hand auf die zuckende Schulter Pedros, der unter dieser Berührung zusammenschauerte, aber sein Gebet, das er mit geschlossenen Augen sprach, nicht unterbrach, und verließ dann mit Dr. Tolax das Zimmer.
    Draußen im Gang hielt Moratalla seinen Oberarzt fest.
    »Vertrösten Sie bitte die Herren, wenn es Nachmittag ist«, sagte er leise und sah in das verblüffte Gesicht des Arztes. Dabei nickte er, als wolle er sagen, ja, so ist es nun einmal, lieber Tolax. »Und bitte, holen Sie mir aus dem Labor meinen Mantel und aus dem OP vier meine weißen Schuhe. Ich werde sie nicht mehr brauchen …«
    »Herr Professor …«, stammelte Dr. Tolax. »Was wollen Sie tun …«
    »Das, was man von mir erwartet. Ich werde mich dem Generalstaatsanwalt zur Verfügung stellen.«
    Dr. Tolax verstellte Moratalla den Weg und rief laut:
    »Nein, Herr Professor! Das lassen wir Ärzte nicht zu!«
    Moratalla lächelte, ein wenig schmerzlich, wie es schien.
    »Lieber Tolax – bin ich in meinem Leben je einer Entscheidung ausgewichen? War ich jemals feige? Ich glaube, man kann mir dies nicht nachsagen! Und auch heute nicht!«
    »Es geht um Ihren Kopf, Herr Professor!«
    »Eben deshalb, Tolax! Man soll seinen eigenen Kopf nicht höher einschätzen als das Leben einer Anita Torrico.«
    »Aber Sie haben doch keine Schuld an dem Tod der Frau! Tausende sterben durch eine Operation, und keiner klagt die Chirurgen an!«
    »Weil die Operierten krank und hoffnungslos waren! Aber Anita war gesund, ihr Herz war stark, bärenstark sogar! Erst als ich das gesunde Herz verkleinerte, mußte sie sterben! Es ist meine Schuld – Tolax, da kann man nicht herumdeuteln! Ich habe versagt … und wer versagt, der muß die Folgen auch tragen können. Das sind alte Gesetze, die auch ein Arzt nicht durchbrechen kann mit seinem Schutz, nur ein Mensch zu sein und nicht jede Krankheit zu heilen.«
    »Man wird Sie in das Kriminalgefängnis sperren!«
    Moratalla nickte. »Eben deshalb bat ich Sie, meinen Mantel und meine Schuhe zu holen. Ich brauche sie nicht mehr …«
    Dr. Tolax hob flehend die Arme. Seine Stimme schwankte.
    »Herr Professor … bleiben Sie doch. Bitte! Was soll denn aus Ihrer Klinik werden?«
    »Die wird mein Nachfolger leiten. Ein tüchtiger Arzt und guter Chirurg. Er heißt Doktor Tolax.«
    »Nein, Herr Professor! Das werde ich nicht annehmen. Wenn Sie sich stellen, stellen wir uns alle! Alle Ärzte! Doktor Albanez, Doktor Estobal, ich, Professor Dalias … wir haben Ihnen geholfen! Ich habe Ihnen bei der Operation assistiert, ich habe die Brust Anitas geöffnet … wir sind alle mitschuldig! Wir gehen alle mit Ihnen, Herr Professor!«
    »Sie bleiben!« brüllte Moratalla. Er war wieder der Riese, der Chef, der keinen Widerspruch duldete. »Sie leiten meine Klinik! Und Doktor Albanez wird Ihr Oberarzt! Haben Sie mich verstanden?! Und ich wünsche kein Wort mehr darüber zu hören!«
    Er drehte sich schroff um und ging mit großen, dröhnenden Schritten den Flur entlang in sein Zimmer. Die Tür fiel krachend hinter ihm zu.
    In dem großen Raum stand Moratalla dann am Fenster und blickte hinaus in den sonnendurchfluteten Park, wo die Krankenwärter wieder die Liegestühle in den Büschen aufstellten.
    Er stand so wohl eine halbe Stunde, ehe er sich langsam umdrehte und seinen Schreibtisch aufräumte. Er ordnete die Post und die Röntgenplatten, die Krankheitsblätter und den Terminkalender, steckte einige persönliche Dinge wie eine Zigarrenspitze und ein Feuerzeug in seine Tasche und nahm dann seinen Hut und die Handschuhe. Den Staubmantel warf er über den Arm.
    Mit einem langen Blick nahm er Abschied von seinem Zimmer und damit von seinem Werk, seinem großen Haus draußen an der Chaussee nach Barajas.
    Auf dem Flur hörte er die Stationsschwestern, die Hilfsschwestern mit dem Frühstück. Die Putzfrauen fegten die Zimmer. Ein Tag, wie er ihn jahrelang erlebt hatte … und es würde sich nichts ändern, wenn er nicht mehr hier war … Das beruhigte ihn, und er trat hinaus auf den Flur, grüßte die Schwestern und eilte mit großen Schritten durch die Aufnahmehalle hinaus in die Sonne. In seinem Wagen, der neben der Auffahrt stand, warf er den Mantel auf den

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