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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sein weißer, blutbefleckter Mantel umschloß prall die breite Gestalt. Im Gehen zog er die Gummihandschuhe aus und warf sie auf einen Tisch, wo sie eine Schwester sofort wegnahm und in die Waschlösung legte. Hinter der Glaswand, vor dem Waschbecken, rollte er die Ärmel des Mantels hoch und wusch sich sehr eingehend. Seine Unterarme waren muskulös und breit, mit dunklen Haaren dicht bedeckt. Arme, die keine Hindernisse kannten, wenn es galt, gegen den Tod zu stehen.
    »Ein einmaliger Arzt«, sagte einer der Ärzte leise, als er ihm nachblickte.
    Die anderen schwiegen. Sie dachten das gleiche.
    Mit ruhigen Händen arbeiteten die Assistenten. Einen Krebs austrocknen, dachten sie. Der Chef wagt das Letzte. Vom Narkosetisch ertönte ein leises Zischen. Man schloß den Brustkorb, legte die Rippenbrüche aneinander und vernähte die Muskel- und Hautlappen. Der Überdruck wurde weggenommen. Der Kranke atmete tief und regelmäßig. Doch dann lief Blut aus seinem Mund. Helles, blasiges Blut.
    Die Assistenten sahen sich an. Es wird zu spät sein, bedeutete dieser Blick. Diesmal ist der Tod stärker als Moratalla.
    Sie blickten zur Glaswand hinüber. Dort stand der Riese und ließ sich aus dem Mantel helfen. Die Oberschwester berichtete ihm von dem Blutatmen. Da kam er zurück, sah kurz auf den Kranken und wandte sich um.
    »Einen Pneu in die verkürzte Lunge.« Und zu den Ärzten gewandt: »Ich sehe, Sie sind ratlos! Meine Herren – bevor ich die Lunge trocken lege, soll sie sich von der Operation erholen! Darum der Pneumothorax! Wir werden mit Taktik und Mut den Krebs angehen …«
    Er grüßte und verließ den Operationssaal IV. Alle Blicke folgten ihm. Als die Tür hinter ihm klappte, atmete man auf.
    »Er kennt keine Angst«, sagte eine der Schwestern leise und schob die fahrbare Bahre heran an den Operationstisch. »Ich habe ihn nur einmal zusammenbrechen sehen … als seine Frau an einem Herzgeschwür unter seinen Händen starb …«
    Und die Arbeit ging weiter. In Saal I operierte Dr. Albanez eine Darmknickung, in Saal II verbanden zwei Ärzte die Operierten der vergangenen Tage, in Saal III stand Dr. Tolax in einer langen Gummischürze und öffnete ein Myom im Leib einer jungen Frau, und im Saal IV schrubbten die Wärter den Boden, und kochten die Schwestern die Instrumente aus. Prof. Dr. Moratalla operierte heute nicht mehr …
    In seinem Zimmer mit einem Blick auf den Park und die sich drehenden Rasensprenger saß Moratalla einem beleibten Herrn mit Glatze gegenüber und rauchte eine dicke Brasilzigarre, deren scharfen Rauch er durch ein Glas guten Weines milderte. Er war guter Stimmung, und auch sein Besucher, der Experte des spanischen Gesundheitsministeriums, Prof. Dr. Dalias, freute sich über den sonnigen Tag und die schattige Kühle des großen Raumes, aus dessen hinterer Ecke neben der Tür das Rauschen eines eingebauten Ventilators tönte.
    »Wenn man durch Ihre Klinik geht, Moratalla«, sagte Prof. Dalias lobend, »glaubt man nicht in einem Haus des Schmerzes und des Leides zu sein. Diese Sonne, diese fröhliche Atmosphäre sind selten in Krankenhäusern.« Er zog an seiner Zigarre. »Ich hörte von Ihrem Assistenten, daß Sie eben einen schwierigen Fall hatten?«
    »Schwierig ist alles, lieber Dalias«, meinte Moratalla und trank einen kurzen Schluck. »Ob ein Blinddarm oder ein Gehirntumor – die Öffnung des menschlichen Körpers ist immer ein Wunder.«
    »Das sagen Sie, Moratalla?«
    »Warum sollte ich es nicht?«
    »Der größte Chirurg Spaniens? Für Sie ist ein Blinddarm ein kleiner Fisch.«
    »Heute. Sie vergessen, daß es vor dreißig Jahren noch eine schwere Operation war, und vor fünfzig Jahren ging es auf Leben und Tod!« Moratalla schaute auf die weiße Aschenspitze seiner Brasil. Er schnippte sie sorgsam in den großen Aschenbecher. »Wie lange operiere ich jetzt? Bald dreißig Jahre! Mit zweiundzwanzig Jahren schnitt ich meinen ersten Bauch auf – es war eine Wasserleiche, und wir Famuli hatten eine heilige Scheu, das Skalpell an einem menschlichen Körper anzusetzen. Aber dann schnitt ich die Gewebe durch und machte die Entdeckung, daß die Verunglückte – es war eine etwa sechzigjährige Frau – nicht verunglückt war, sondern Selbstmord begangen hatte. Sie hatte ein Sarkom, dessen Schmerzen sie in den Tod trieben. Damals wußte man in Spanien noch wenig von den bösartigen Geschwülsten, und man lauschte nach Deutschland, wo Männer wie Sauerbruch und Bier und Frey in das

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