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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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chirurgische Neuland vorstießen. Sauerbruch nagelte Röhrenknochen mit Silbernägeln, Bier führte seine Biersche Stauung ein, die Verhinderung des Blutabflusses aus erkrankten Gliedern durch eine Staubinde. Die ersten Radiumbehandlungen des Krebses setzten ein, Sauerbruch ging die Tuberkolose der Lunge mit dem Messer an und entwickelte seine wunderbaren künstlichen Hände, die Sauerbruch-Hand. Und wir hier, in Spanien, wir lernten und lernten. Heute –«, er wischte mit seiner großen, kräftigen Hand durch die Luft – »heute hat man andere Mittel. Man kann gestielte Hautlappen verpflanzen, man kann neue Gesichter bilden, man kann Herzen stillegen und den Kreislauf durch Plexiglasmaschinen laufen lassen, man beschießt Tumore im Gehirn mit radioaktiven Gammastrahlen, und man hat in der Chirurgie fast alle Mittel in der Hand, einen Menschen zu retten, wenn der Mechanismus seines Körpers nicht völlig unbrauchbar geworden ist. Eiterungen in der Bauchhöhle – sie waren vor fünfzehn Jahren unheilbar. Heute spritzt man Penicillin und frißt den Eiter mit den deutschen Sulfonamiden auf! Gehirnhautentzündung war vor zehn Jahren tödlich – heute genügen einige Spritzen Streptomycin des Kollegen Selman A. Waksman aus Amerika, und der Kranke ist gerettet!«
    Prof. Dalias beugte sich über den Tisch und legte Moratalla seine Hand auf den Arm. »Und auch Sie sind am Ziel, Moratalla, was? Eine große Klinik, die schönste Spaniens. Erfolge, die in der ganzen Welt bekannt sind.«
    »Am Ziel?« Prof. Moratalla sah aus dem Fenster. Im Park fuhren einige Krankenwärter in Rollstühlen die Patienten in den warmen Tag und stellten sie unter den Schatten der Bäume. Die Gesichter waren blaß, aber in ihnen lag die Hoffnung, bald wieder in das Leben zurückzukehren. So mancher von ihnen war ohne Glauben an Genesung in dieses Haus gekommen – jetzt saß er in seinem Rollstuhl und wußte, daß er gerettet war, gerettet von Männern, die unscheinbar in ihren weißen Kitteln an den Tischen der weißgekachelten Säle standen.
    »Am Ziel sind wir Ärzte nie.« Moratalla legte seine freie Hand auf die Prof. Dalias'. »Ich träume seit Jahren von einem Ziel, aber es ist vielleicht unerreichbar.«
    »Der Krebs?«
    »Nein – das Herz! Vierfünftel der modernen Menschheit stirbt an Herzkrankheiten – Kreislaufstörungen, Herzklappenfehlern, Herzbeutelentzündungen, Herzschlag … immer das Herz, Dalias. Dieses dumme Herz, das die Dichter besingen und wir Ärzte hassen, weil es unangreifbar ist. Ich kann ein durchschossenes Herz flicken – das geht heute –, aber ich kann keine Herzkranzarterienverengung operieren. Da ist ein Arbeiter aus einem Vorort von Madrid. Er ist ein baumstarker Kerl, trägt die Zweizentner-Mehlsäcke wie eine Feder. Aber manchmal fällt er um. Das Herz versagt. Wir verordnen Ruhe, Schonung … aber wir heilen das Herz nicht damit, wir halten es nur auf, weil wir den Motor des Körpers drosseln. Die Krankheit bleibt, und das ist das Scheußliche … das Grauenhafte unserer ärztlichen Ohnmacht!« Moratalla zog erregt an seiner Zigarre und trank noch einen Schluck Wein dazu. »Da kommt eine Mutter zu mir, eine junge blühende Frau. Sie hat ein Kind. Kaiserschnittentbindung. Ihr Herz flattert seit dieser Entbindung, sie glaubt, daß es von der Geburt kommt. Aber sie hatte vor Jahren einmal Gelenkrheumatismus und machte eine strenge Salizylbehandlung durch. Der Rheumatismus verschwand – aber das Herz war krank! Und was habe ich getan? Nichts! Ruhe, habe ich gesagt, Höhenluft genießen, sich nicht überanstrengen, viel liegen, keine Aufregungen … und das bei einer Mutter aus kleinen Verhältnissen, auf deren Schultern der ganze Haushalt liegt! Ich schämte mich, ihr das zu sagen. Aber was konnte ich anderes tun? Immer ist es das Herz …«
    »Und was ist Ihr großer Traum, Moratalla?« Dalias war ergriffen von den Worten seines Freundes – er kannte diese Sorgen aus der eigenen Praxis. Die Statistiken des Gesundheitsministeriums sagten es zu deutlich. Neben Krebs war das Herz das Todesurteil der meisten Menschen.
    »Ich möchte das Herz herausnehmen können«, sagte Moratalla. Und als er den maßlosen Schrecken seines Besuchers sah, lächelte er. »Sie halten mich für einen Wahnsinnigen, Dalias, was?«
    »Das nicht. Mich erschreckt Ihr Plan.«
    »Ich möchte das Herz ganz einfach regenerieren, erneuern, indem ich es wie einen Motor überhole.«
    »Aber das ist doch unmöglich!«
    »Heute noch, Dalias!

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