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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Lunge gesund, Herz gesund! Was wollen wir noch mehr?!«
    Anita stellte die Schüssel auf einen Stuhl und entfernte sich wortlos. Sie wußte, daß Dr. Osura wieder log …
    Im Stall wütete Pedro mit der Gabel in dem Stroh. Er wollte durch verbissene Arbeit seine Gedanken verjagen, aber es gelang ihm nicht. Immer setzte er aus, rannte an die Tür und blickte hinüber zu dem Haus. Auch Elvira im Hühnerstall ahnte, was in diesen Minuten in den Herzen der Torricos vorging, und sie kam aus dem Stall zu Pedro und stellte sich neben ihn.
    Anita kam aus dem Haus und winkte Pedro zu. Der rannte wie gehetzt über den Hof und sah die Mutter mit weiten Augen an.
    »Was ist?« keuchte er. »Soll ich den Arzt vom Hofe werfen?!«
    »Aber Pedro …« Anita faltete die Hände über der Schürze. »Er wird deinem Bruder Glück bringen!«
    »Er nimmt ihn mir weg …«, brüllte der Riese. Anita schüttelte den Kopf.
    »Wenn eine Mutter ja sagt, Pedro, haben alle anderen Stimmen zu schweigen …«
    »Und das sagst du, Mutter?« In den Augen des großen, starken Pedro blinkte es. Hilflos wie ein Kind stand er vor der kleinen, dicken Mutter und rang die Hände. »Kann ich ihn denn nicht sehen?«
    »Er wäscht sich und zieht die Stadtkleider an, die der Doktor ihm mitgebracht hat.«
    »Und dann, Mutter?«
    »Dann wird er uns allen die Hand geben und wegfahren, Pedro.«
    Als dann Juan aus der Tür trat, erkannten sie ihn nicht. Ein junger, eleganter Mann kam in den Hof, in einem grauen, gut sitzenden Anzug, einem beigefarbenen Hemd, einem roten Schlips, braunen Schuhen und seidenen Strümpfen. Ein heller Staubmantel lag über seinem Arm, ein weicher, hellbrauner Filzhut bedeckte den schmalen Kopf. Er kam auf Anita zu, der fremde Mann, und in der Tür erschien das lachende Gesicht Dr. Osuras und rief: »Na, Kinder, wollt ihr nicht mehr mit eurem Juan sprechen?«
    Pedro war der erste, der sich faßte. Er war schon mehrmals in der Stadt gewesen, in Puertollano und Mestanza und einmal sogar in Cordoba, wo er eine Sämaschine kaufte. Er kannte sich aus mit dem, was die Stadtherren tragen, aber der Anblick Juans in dieser Kleidung war so fremd, daß er nur stockend sprach.
    »Gut siehst du aus«, sagte er. »So reich und fremd.« Er biß sich auf die Lippen, denn er wollte dieses Wort nicht sagen. Er gab Juan die Hand und hielt sie so lange fest, wie er sprach. »Jetzt willst du also fort. In die große Stadt. Vergiß uns nicht, Juanito, bleibe ein Torrico, trage den Namen mit Stolz und denke an die Erde, die unser Vater aus den Steinen holte und die uns ernährte. Schreib uns, hörst du, und komm einmal … wir kommen auch, die Mutter und ich und Elvira … Und lerne fleißig, werde ein großer Mann … Und … und …« Er drückte Juan an sich und umarmte ihn. »Und vergiß«, stammelte er, »vergiß, daß ich dich einmal schlug … draußen in den Bergen …«
    Dr. Osura saß hinter dem Steuerrad seines Wagens. Er wollte den Abschied nicht erleben. Er hörte nur die Stimmen durch die Scheiben und verschloß sein Ohr, sie nicht zu verstehen.
    Elvira gab Juan die Hand – sie sagte nichts. Doch dann küßte sie ihn, und es war der erste Kuß, den Juan von ihr bekommen hatte.
    Dann stand er vor der Mutter. Und als er sie vor sich sah, mit Augen, in denen er alles las, was sie nicht sagen konnte, da riß er sich den Hut vom Kopf und beugte die Knie und kniete vor ihr mit dem neuen Anzug im Staub des Weges. Sie aber holte aus ihrer Schürze ein kleines bleiernes Kruzifix, wie es die Krämer auf den Märkten verkaufen, hielt es mit zitternden Händen über seinem gesenkten Kopf und schlug über ihm segnend das Kreuz. Dann küßte sie den kleinen, vergilbten Heiland und steckte das Kruzifix Juan in die Tasche.
    »Der Herr sei mit dir auf allen deinen Wegen, mein kleiner Juanito«, sagte sie langsam. Und ihre Stimme war hart und ohne Regung, weil ihr Inneres schrie und ihr Äußeres hart sein wollte wie eine eiserne Rüstung.
    »Amen«, sagte Juan leise. Dann küßte er die welke Hand der Mutter, nahm sie noch einmal in seine Arme und küßte ihre Augen.
    »Mein Juanito«, sagte sie leise und mit einer Innigkeit, die sein Herz aufriß. »Mein kleiner, süßer Junge … komm zurück …«
    Und er riß sich los, rannte zu dem Wagen, riß die Tür auf, sprang hinter Dr. Osura auf den Sitz und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Fahren Sie!« brüllte er. »Ich flehe Sie an … fahren Sie … fahren Sie.« Und er schlug die Hände vor die Augen und

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