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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aber morgen oder übermorgen oder in zehn Jahren? Wer kann es wissen? Wer dachte 1910 daran, daß man ein Hüftgelenk herausnehmen kann und es ersetzt durch eine Plexiglaskugel? Wer konnte 1870 ahnen, daß man Gehirne mit einer Silberplatte verschließen kann? Wenn Sie 1928 noch gesagt hätten, Sie wären in der Lage, aus den Windungen des Kleinhirns einen Tumor zu schneiden oder einen Gehirnschlag, eine akute Apoplexie, durch eine Spritze in die Stirnvene aufzuhalten, dann hätte man Sie für wahnsinnig gehalten und vielleicht als gemeingefährlich eingesperrt. Warum soll man nicht ein Herz regenerieren können?«
    »Sie werden mir unheimlich, Moratalla«, gestand Dalias.
    »Unheimlich ist allein der Tod, den wir bekämpfen. Seine Tricks und die Masken, in denen er auftritt, sind unfair! Ich habe versucht, bei Hunden und Katzen das Herz herauszunehmen und an einen künstlichen Blutkreislauf anzuschließen. Das Tier lebte mit seinem künstlichen Kreislauf ohne Herz weiter …«
    Dalias sprang auf. »Phantastisch!« rief er.
    »Aber das herausgenommene Herz schwieg trotz des Kreislaufes, in den es eingespannt war, nach zwei Stunden! Es war organisch tot! Ich habe nie entdeckt, woran es lag, denn die physischen Bedingungen waren die gleichen wie im Körper … genau abgestimmter Blutkreislauf, geregelte Zufuhr von Frischluft, Körpertemperatur und sogar eine gewisse Belastung des Herzens, wie es durch Laufen oder andere körperliche Verrichtungen erzeugt wird … Aber das Herz starb, und das Blut der Kreislaufmaschine quoll aus ihm heraus!«
    Auf Prof. Dalias' Stirn stand Schweiß. Er wischte ihn mit dem Handrücken fort. »Die Natur läßt sich nicht verspotten«, sagte er leise.
    »Aber sie spottet unser! Das ist schlimmer, Dalias!« Moratalla war aufgestanden und ging mit großen, wuchtigen Schritten im Zimmer auf und ab. Der Fußboden bebte unter seinem Gewicht. »Ich habe diese Versuche fortgeführt, Dalias. Ich habe das herausgenommene Herz mit Hormonen gespeist, im Blut absorbierte Hormone, um zu sehen, ob das Herz sie irgendwie aufnimmt – es war ein Fehlschlag. Ich habe das Blut mit einer schwachen Cardiazollösung gemischt – es gab einen Kollaps! Aber ich habe gesehen, daß es möglich ist, ein Herz außerhalb des Körpers schlagen zu lassen, und wenn das möglich ist, Dalias –« Moratalla stand am Fenster. Die Sonne umflutete seine Gestalt. Das Gesicht war wie das eines Fanatikers –, »dann sind wir auch einmal in der Lage, das Herz zu erneuern, den menschlichen Motor zu überholen und das Leben um das Doppelte zu verlängern! Es ist nur eine Frage der Zeit …«
    »Es bleibt immer die Tat eines Genies!« Dalias trat neben Moratalla und blickte in den Garten. Einige junge Ärzte standen in einer Gruppe zusammen und unterhielten sich bei einer Zigarette über eine Operation, die soeben beendet sein mußte. »Dort, sehen Sie hinaus, Moratalla. Glauben Sie, daß diese Männer das gleiche können wie Sie? Sie können Meister werden – aber sie können nie Genie sein.«
    Moratalla lächelte. »Auch ich stand einmal auf eine Zigarettenlänge zwischen den Operationen im Garten, Dalias. Es war in Bilbao, im alten Stadtkrankenhaus und mein Chef, der Professor Jerez, schnauzte mich an und schrie: ›Aus Ihnen wird nie ein Arzt, Moratalla: Sie haben keinen sittlichen Ernst! Sie sind ein Kaffeejüngling, aber kein Chirurg.‹ Und ich glaube, daß ich ein ganz guter Chirurg geworden bin. Warum sollen es die jungen Kollegen dort unten nicht auch? Der Mann, der die neue Methode entwickelt, steht im Kampf … wenn sie gefunden ist und vorgeführt wird, wenn sie in die Welt geht, ist sie nur noch eine der vielen Techniken des Operierens wie eine Amputation oder eine intravenöse Injektion! So einfach, Dalias … wenn man es erreicht hat!«
    »Wenn, Moratalla … wenn!«
    »Das ist es ja!« Moratalla lehnte sich an die Scheibe – er drückte die Stirn gegen das Glas und fühlte, wie die Sonne auf sie niederbrannte. »Ich hätte selbst nie geglaubt«, sagte er leise, »daß man so in einen Traum verbohrt sein kann …«
    Prof. Dalias wandte sich von dem bunten Bild im Klinikgarten ab und ging in das Zimmer zurück. »Ich warne Sie«, sagte er eindringlich.
    »Wovor?« Moratalla zog die buschigen Augenbrauen hoch.
    Dalias winkte ab. In seiner Gebärde lag viel Wissen, das Moratalla stutzig machte.
    »Ich kenne Sie, Moratalla. Ich kenne Sie zu gut! Lassen Sie die Hände von Menschenexperimenten! Bleiben Sie bei den

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