Viele Mütter heißen Anita
eilten sie zu der Tanzfläche, auf der sich schon die Paare im wilden Rhythmus eines amerikanischen Tanzes amüsierten. Jacquinas Mund war aufgerissen wie eine klaffende Wunde – das grelle Rot der Lippen leuchtete im Licht der starken Lampen, die die Tanzfläche erhellten. Ihre Augen waren Feuer, ihr Körper war wie eine angespannte Stahlfeder, die, überspannt, jeden Augenblick losschnellen würde. So ergriff sie Juan und klammerte sich an ihn, schob ihn in den Wirbel der anderen Leiber hinein, schwenkte ihn im Takt herum und küßte ihn dabei ohne Scham und Hemmung, mit ihren Händen seine schwarzen Haare durchwühlend.
Plötzlich stockte sein Schritt. Er wurde blau im Gesicht, griff mit beiden Armen um sich und fiel schwer gegen das Mädchen, das leise aufschrie und ihn aufrecht hielt. Juans Augen traten hervor, sie waren starr und voll grauenhafter Angst, sein Mund war weit aufgesperrt und rang nach Atem, und während er so gegen das Mädchen gelehnt stand und zu ersticken drohte, wurden seine Lippen farblos und das Gesicht gelbweiß wie bei einem Toten.
Einige Männer, die sofort hinzusprangen, schleppten ihn in die Laube zurück, und dort fiel Juan ohnmächtig auf die Polsterbank, mit dem Kopf in den Schoß Jacquinas, die zu weinen begann und nicht wußte, was sie tun sollte.
Ein Arzt, der zufällig im Lokal war, kam sofort in die Laube, und während die Zigeuner weiterspielten und die Paare tanzten, als sei nichts geschehen, untersuchte der Arzt schnell den Ohnmächtigen.
»Kreislaufstörung«, sagte er verwundert. »In diesem Alter? Das ist merkwürdig.« Er rief nach einem Eisstück aus der Kühlmaschine, einer der Kellner brachte ihm ein Stück, und der Arzt massierte mit dem Eisstück die Brust Juans, der unter der Kälte zusammenzuckte. Mit starren Augen sah Jacquina den Bemühungen zu, und ihre Hände, die vorerst den Kopf Juans gestreichelt hatten, waren weit zurückgeworfen, als ekele sie sich vor einem Mann, der plötzlich erstickt. Sie saß da, die roten Lippen verzogen, als wolle sie weinen, in den Augen eine gehetzte Angst, und als der Arzt den Körper Juans umbettete, rückte sie in die Ecke zurück und war in Versuchung, einfach wegzulaufen. Der Arzt legte das Eisstück aus der Hand und knöpfte das Hemd Juans wieder zu.
»Telefonieren Sie sofort nach einem Krankenwagen«, sagte er zu dem Kellner, der neben ihm stand. »Und bitte so unauffällig wie möglich. Sorgen Sie dafür, daß in der Zeit des Abtransportes ein schmissiger Foxtrott gespielt wird, dann sind die hinteren Tische an der Tür leer.«
Der Kellner rannte davon. Der Arzt blickte kurz zu Jacquina hinüber, die hastig ihren Wein trank.
»Ihr Freund?« frage er.
»Ja.«
»Hm. Kennen Sie ihn genauer?«
»Er heißt Juan Torrico und ist Kunststudent an der Akademie. Bildhauer. Er ist erst gestern angekommen.«
»Und schon Ihr Freund? Das nennt man wohl das Tempo des zwanzigsten Jahrhunderts?«
Jacquina kräuselte die Lippen. Dummheit, dachte sie. Darauf gebe ich keine Antwort. Ist ja doch nur neidisch, daß er nicht mein Freund ist. Sie holte aus der Handtasche die Puderdose und ergänzte ihr puppenhaftes Gesicht. »Wie kam das denn mit dem Anfall?« fragte der Arzt weiter.
»Wir haben getanzt, und plötzlich kippte er um.«
»Beim Boogie-Woogie?«
»Ja.«
»Hm. Akute Kreislaufstörungen bei größeren Anstrengungen.« Der Arzt beugte sich über Juan und legte das Ohr auf seine Brust. »Wie alt ist Señor Torrico?« fragte er dabei.
»Ich glaube, neunzehn Jahre.«
»Etwas jung für eine Herzknacks.« Der Kellner kam wieder und nickte.
»Der Krankenwagen ist da.«
»Danke.«
Sie warteten, bis die Zigeuner auf einen Wink hin einen wilden Tanz spielten und sich die Tische leerten. Dann kamen im Laufschritt zwei Träger mit einer Bahre, Juan wurde umgebettet, und ebenso schnell verließen sie das Lokal des Señor Bonillo wieder, sehr zur Freude des dicken Wirts, der schimpfend hinter der Theke stand.
Der Arzt wandte sich an Jacquina, die ratlos herumstand.
»Ich nehme an, daß Sie sich auch den Rest des Abends noch ganz nett amüsieren können«, sagte er deutlich und hart. »Die Zeche des Herrn Torrico lege ich so lange aus, bis der Herr wieder gesund ist. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen …«
Jacquina blitzte ihn an, wütend, tierhaft, unbeherrscht.
»Für was halten Sie mich eigentlich?« zischte sie.
Der Arzt nickte und wandte sich ab. »Bitte, ersparen Sie mir darauf eine Antwort«, sagte er und
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