Vielen Dank für das Leben
auf einer mit Vorhängeschloss gesicherten Leiter stand, auch überspringen.
Vor einiger Zeit hatte er begonnen, sich Lieder auszudenken, Melodien, zu denen sich Worte fanden, die ihn glücklicher machten, als hätte er Vorhandenes nachgesungen. Er wollte nichts mit seinem Gesang. Der Gesang war einfach bei ihm, er war etwas, das ihn nicht einsam sein ließ. Auch konnte sich Toto nicht vorstellen, jemals den Satz auszusprechen: Ich möchte Sänger werden, falls aus Versehen einer fragen wollte. Es schien ihm ein so kitschiges Berufsbild, unvorstellbar, wie so ein Leben als Sänger aussehen sollte. Wohin würde er mit einer Erwachsenenaktentasche jeden Morgen gehen, um zu singen? Wie alles andere war auch die Kunst streng geregelt und verwaltet im kleinen sozialistischen Land. Die Genossen Künstler mussten ausgebildet, überprüft und mit Markierung versehen werden. Es würde das sorgfältige Gleichgewicht im Land zerstören, wenn jeder ohne ausgiebiges Studium eine Kunst machen wollte. Wissen ist die Waffe der Unterdrückten. Bildung für alle ein Verdienst des Sozialismus. Man vertraute Urkunden, Diplomen, den gerahmten Abschlüssen der Musikhochschule, die so wunderbare Sänger und Popbands hervorgebracht hatte. Selbst wenn einer nur an Hochzeiten auf dem Land singen wollte, brauchte er eine Spielerlaubnis als Amateurmusiker. Die wurde von der Kulturbehörde vergeben. Fraglich, ob Toto mit seiner merkwürdigen Stimme beim Vorsingen vor einer Kommission, die aus Funktionären in blauen, vom Bügeln glänzenden Anzügen bestand, besonderes Wohlgefallen erwecken würde.
Die Landstraße, an der keine Apfelbäume standen, das waren vermutlich Akazien, die letzten Häuser des Dorfes hinter sich lassend, nur in einem, an einem kleinen See, brannte noch Licht.
Ein Jahr nach
ihrem Handel mit Rüdiger, dem Vertreter der einfachen ehrlichen Landbevölkerung, hatte Frau Hagen bekommen, was ihr zustand.
Der Besitzer eines Hauses am See war überraschend verstorben, Mitte vierzig, kommt vor, Arbeitsunfall am Melkkarussell, nicht unüblich, der Boden immer feucht, die Kühe ungehalten.
Das Gebäude war in ansehnlichem Zustand und sogar romantisch, wenn man darunter Dinge versteht wie: mit einem Sexualpartner in der Badewanne sitzen, in deren Wasser Rosenblätter schwimmen. Es gab eine Badewanne. Es gab eine Ölheizung im Keller. Leider gab es kein Heizöl im Land, aber das waren Kleinigkeiten, und Frau Hagens Lust, durch das Haus zu streichen, unsichtbare lange Satinhandschuhe tragend, war immens.
Frau Hagen besaß ein Haus am See. Ein Haus am See, ihr Gesicht spiegelte den Stolz eines Menschen, der durch Betrug zu Reichtum gekommen ist. Das Dorf durchmaß sie von da an nur, um zum Bus zu gelangen, später würde gewiss ein Fahrer im Tatra vor ihrer Tür warten.
Jeden Freitag traf sie nach der Arbeit auf dem Land ein, grüßte nicht, hob das Kinn, lief vorsichtig, als befände sich sehr viel Kot auf der Straße, doch das war nur teilweise der Fall.
Frau Hagen saß jedes Wochenende in ihrem Haus, sie langweilte sich, ein Hochgefühl stellte sich nicht ein, sie ging früh zu Bett, um diese furchtbaren Wochenenden zu verschlafen. Es regnete über Gebühr, oder es kam ihr so vor.
Die drei Männer stemmten die Haustür auf. Es war Samstag, zwei Uhr nachts, die Zeit des Tiefschlafs, das Schloss lächerlich, die Kriminalität im kleinen sozialistischen Land in überschaubarem Rahmen, da gab es doch kein eingetragenes Elend, keine Obdachlosen, und zu entwenden gab es überhaupt nichts. Die drei Männer stiegen mit erstaunlicher Behutsamkeit in den ersten Stock und weckten Frau Hagen mit einem Faustschlag. Drei Frontzähne lösten sich aus dem Zahnfleisch, Blut füllte Mund und Rachen. Das Mondlicht erhellte den Raum. Einer der Männer schaltete das Licht an, man wollte sehen, was man aß. Frau Hagen versuchte einen Schrei. Das erzürnte die Anwesenden. Sie stopften ihr zwei Socken in den Mund, die einer der Männer sich zuvor mit großer Behendigkeit von den Füßen gestreift hatte. Die Socken waren feucht und seit Wochen an den Füßen des Mannes befindlich gewesen. Frau Hagen wurde auf den Bauch gedreht, unter Faustschlägen ans Bett gefesselt.
Die drei Männer hatten ihre Hosen heruntergelassen und vergewaltigten die Frau nacheinander. Das war ihnen nicht unangenehm, den warmen Vorgänger zu spüren, doch die Frau wand sich. Und der Spaß ließ sich anscheinend nicht steigern. Eine laue Erfahrung, hätten die Männer nicht
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