Vielen Dank für das Leben
diesem Moment kam der Anruf aus der Klinik. Toto lebte noch. Die Niere war nicht entfernt worden, denn Frau Professor Konstantin war aus der Sache ausgestiegen. Der Arzt, den Kasimir am Telefon hatte und der natürlich auch bestochen war, drückte sich wegen der Gefahr, abgehört zu werden, in Bildern aus. Kasimir verstand, dass der Arzt, ein offenkundiger Geisteskranker, Toto einen sehr langsamen, sehr qualvollen Tod zugedacht hatte.
Nach dem Telefonat begann Kasimir zu weinen.
Und weiter.
Eine Woche oder zwei, vielleicht waren es Jahre, im Dämmerzustand, warum nur riecht es nicht mehr nach Schimmel? Weißes Licht stach von der Decke, durch die geschlossenen Lider. Vielleicht hatte Robert Flutscheinwerfer im Garten installiert, um seine ausgefranste Wiese im Licht wie englischen Rasen scheinen zu lassen?
Dass er sich in einem Krankenhaus befand, wurde Toto selbst durch die zehn gierigen Assistenten, Schwestern und Doktoren, die jeden Morgen um sein Bett standen, nicht klar. Diese Gesichter machten verständlich, warum in dem kapitalistischen Land die Zuschreibung nett als Schimpfwort galt. Man war hier nicht drauf aus, Unbekannten das Leben einfacher zu machen, mit freundlichen Gesten.
Die Gesichter des medizinischen Personals, das war es doch? Oder war hier Kapitän Zufall im Spiel, und wieso heißt es Kapitän Zufall. Toto konnte nicht klar denken. Die Gesichter der Kommissare spiegelten einstudiertes Mitgefühl wieder, unter dem etwas lauerte, was am ehesten vergleichbar ist mit dem Gesichtsausdruck von Zeugen eines Unfalls. Ein Mann redete mit der arroganten Miene eines Menschen, der seine Sterblichkeit verdrängt hat. Vermutlich der Kapitän. Das ist wirklich wie in diesen Filmen, in denen Ärzte reden und der Patient nicht ein Wort versteht. Entweder sehen die alle zu viele Krankenhausserien, oder sie müssen sich mit ihrem exquisiten Geheimcode beweisen, dass das lange Studium gelohnt hat. Es gab keine Oberärztinnen oder Chefärztinnen in diesem Krankenhaus, ha, jetzt hatte er Krankenhaus gedacht, nach zehn Tagen, jedenfalls hatte Toto noch keine gesehen, dafür eine männliche Schwester. Pfleger Peter hätte wohl gerne Kontakt mit ihm gehabt, ab und zu strich er um sein Bett, doch Toto war noch nicht wieder da, er war nirgends, war noch nicht mal sicher, dass er nicht mehr in der Villa des Countertenors lag.
Mit jedem Tag und seiner warmer Routine, mit Frühstück, Visite, den Pillen, der Langeweile, kam er nun ein wenig mehr zu sich, verstand erst nach einiger Zeit, dass er keine Schmerzen mehr in den Knochen hatte, wenn er sich bewegte, und dass seine Gelenke nicht mehr geschwollen waren, und er spürte unangenehm das hinten geöffnete Krankenhaushemd.
Eines Morgens blieb der Chef der kleinen Visitebande am Fußende seines Betts stehen, normalerweise der Platz, der dem Gevatter Tod vorbehalten ist, auf keinen Fall setzte er sich, natürlich kam er nicht auf die Ebene eines Sterblichen. Das Neonlicht bildete leider keinen Heiligenschein um sein Haupt, daran müsste man noch arbeiten, da müsste man noch Versuche mit unterschiedlichen Leuchtkörpern anstellen. So, ähm, dann wollen wir mal schauen, sagte der Arzt, was haben Sie denn bisher von Ihrer Situation verstanden? Die Niere? Fragte Toto. Sehr gut, sagte der Chefarzt, er wirkte uninteressiert. Wir haben keine Nierentransplantation durchgeführt, denn wir haben festgestellt, dass Sie ein Problem mit der Harnröhre, ähm, hatten, ein kleiner Tumor an Ihren innenliegenden Hoden wurde entfernt, eine Streuung ist nicht zu verzeichnen, Ihre Schilddrüse produziert keine Hormone, und jene, die in Ihren inneren Geschlechtsorganen produziert werden, sind ähm, kontraproduktiv, weshalb man eine Ersatztherapie begonnen hat. Der Herr Doktor sah Toto nicht einmal an, er redete zu einem Punkt über seinem Kopf, er rezitierte die ermüdende Liste von Fehlentwicklungen aufgrund eines unbehandelten oder falsch behandelten echten Hermaphrodismus. Ein was, bitte, fragte Toto, nun sehen Sie, erklärte der Doktor, ähm, Toto, hier auf dieser Abbildung, woher hatte er plötzlich die Bildtafeln? Hier, sagte der Doktor, sind äußere weibliche und männliche Genitalien zu sehen. Wenn Sie diese Abbildungen mit Ihrer eigenen körperlichen Ausstattung vergleichen, wird Ihnen auffallen, dass Sie. Nichts sind, vervollkommnete Toto den Satz des Arztes, der ihn irgendwie an die Ärzte in KZs erinnerte.
Ich bin ein Nichts. Nun, sagte der Arzt, so hart würde ich es jetzt
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