Vielen Dank für das Leben
sie, stinkende Haufen verwelkten Fleisches, und schnappen rasselnd nach Luft. Dann irgendwann reißen sie die Augen auf, ungläubig, die Hand greift ins Leere, als ob da noch einer sein müsste, da ist keiner, am Ende, und dann bäumen sie sich auf und pfeifen, und endlich, endlich ist Ruhe, und die Schwester reinigt die Instrumente.
Frau Professor Konstantin geriet in gute Laune. Sie überlebte Abende wie diesen nur dank ihrer hervorragenden Phantasie, die ihr ein guter Unterhalter war.
Die Professorin hatte Rechtswissenschaft und später Medizin bis zum Doktortitel studiert. Im Anschluss hatte sie sich intensiv mit Fragen der Hormontherapie beschäftigt und war zur Spezialistin für das Klimakterium geworden, ein Gebiet, das von ihren männlichen Kollegen aus naheliegenden Gründen vernachlässigt wurde. Es war ihr wohl in der Welt der klinischen Forschung, sie hoffte, dass diese die reale Welt bald ersetzen würde, die ein Scheißhaufen war. In der realen Welt hatte sie sich zu viele Feinde geschaffen mit ihrer Intelligenz, die sie Dummheit gegenüber extrem ungeduldig machte. Sie lebte in einem Zustand der Dauergereiztheit, weil sie zu viel verstand, und doch zu wenig, um etwas an dem Umstand der allgemeinen Verblödung zu ändern. Es gab nur selten Menschen, die sie nicht langweilten. Kinder gehörten dazu. Kinder geben nicht vor, intelligent zu sein. Frau Professor Konstantin war mit der Gewissheit aufgewachsen, es sei normal, nicht zu wissen, wie man mit Menschen in Kontakt tritt, und auch das Gefühl, ständig zu träumen und nie aufzuwachen, nahm sie als gegeben hin. Später hatte sie sich ein paar Umgangsformen antrainiert, es gab nichts Leichteres.
Frau Professor blickte auf, um eine Uhr zu suchen. Der Grund ihres Besuches war ein Patientengespräch und die Spendensumme, die sie dafür erhalten würde. Es wäre zu schön, zu Hause noch zu forschen, fern von dieser grauenhaft schlechten Musik, die sie nervös machte wie alle Geräusche, das Klappern des Bestecks, das überlaute Schmatzen, die Gesprächsteile. Der Gastgeber, Robert, nickte ihr zu. Zeit, ihren kleinen Teil der Abmachung zu erfüllen, sie folgte Robert durch die Korridore ins Souterrain.
Was für ein verwahrloster Anblick sich ihr bot. Bis auf den Speise- und Ballsaal befand das Haus sich in befremdlichem Zustand. Fast pathologisch die Unsauberkeit in den seit Jahren ungelüfteten Räumen. Frau Professor Konstantin betrachtete den schweren Hermaphroditen, dem sie attestieren sollte, dass sich seine Niere hervorragend als Spenderorgan eignete. Der junge Zwitter war eindeutig krank, sie sah auf den ersten Blick, dass er Schmerzen hatte. Frau Professor Konstantin kniete sich vor den jungen Menschen, und der sah sie an. Frau Professor war so noch nie angesehen worden, tief in einem Bereich, den nie zuvor ein Mensch betreten hatte. Frau Professor Konstantin hatte das Gefühl, sie sähe dem Guten ins Gesicht, dem Gegenpart zum Bösen, der hochentwickelten Moral, dem perfekten Menschen ohne dunkle Seiten. Frau Professor wusste, dass sie ein solches Lebewesen noch nie gesehen hatte. Sie würde tun, was sie tun musste.
Kasimir beobachtete
aus einem Ledersessel in einer Ecke des Ballsaals, wie die von ihm bezahlte Frau Professor sich mit dem von ihm erpressten Gastgeber zu dem Menschen begab, den er vernichten wollte.
Hach, Gottchen, dachte Kasimir und verdrehte die Augen, das ist doch ein rechtes Drama. Er brach auf, um den Rest der Operation zu Hause abzuwarten.
Er schlug mit Eleganz die Tür des Hauses zu, in dem gerade Totos Operation verhandelt wurde, an der er leider aus Versehen sterben würde. Nach Totos Verschwinden von der Welt würde nichts mehr zwischen Kasimir und der absoluten Macht stehen.
Die Männer, mit denen er geschäftlich zu tun hatte, beneidete er um ihre Fähigkeit, ihr Leben und ihre Gefühlswelt komplett abzutrennen von allen Bereichen, die sie als Geschäft bezeichneten. Er bewunderte sie wegen ihrer absoluten Unauffälligkeit. Die Welt wurde beherrscht von Männern mit Hirndefekten, die alle gleich aussahen. Blaugrau mit mahlenden Kieferknochen, mit denen sie ohne jede innere oder äußere Regung Firmen ruinierten, das Sparguthaben tausender Rentner versenkten, Gift im Meer verklappten, mit Walfischen handelten und Großmütter aus ihren Häusern warfen. Es ist nur Business, sagten sie, zuckten die Schultern und glaubten an nichts. Was Kasimir von ihnen zu trennen schien, waren seine Gefühle für Toto, die waren wie
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