Vielen Dank für das Leben
schmutzige Füße in teuren Kaschmirsocken, und obwohl Kasimir sich eingestehen musste, dass dieser Gedanke vollkommen unlogisch war, konnte er sich doch nicht dagegen wehren, Toto als die Ursache seines Scheiterns zu betrachten. Ohne Toto würde er frei sein. Keine Ahnung, wie sich das anfühlen würde, doch ganz sicher besser als jetzt, immer gequält von dunklen, sexuellen, devoten Gefühlen, denen er nicht nachgehen wollte.
Kasimir hatte seine Befreiung sorgfältig geplant. Er hatte einen Gesangslehrer gesucht, um Toto bei seiner Sehnsucht nach Perfektion zu packen. Robert war mehr als das. Er machte sich in die Hosen, im wörtlichen Sinne, als Kasimir ihn mit dem Wissen um seine Vergangenheit konfrontierte.
Als Kasimir die Berichte seiner Detektive erhielt, musste er sich übergeben, weil er Dinge erfuhr, die er nicht hatte wissen wollen. Irgendetwas rührte ihn, wenn es um Kinder ging. Er wusste, wie sie versteinern, in Einsamkeit, und wie das ist, völlig hilflos auf einem Meer ohne eine Planke. Er wusste, wie sie sich fühlen, so schwach und Angst vor allem, was stärker ist, er wusste, wie sie schreien wollen und es nicht dürfen, weil sie sonst geschlagen werden oder gefoltert, er kannte den ganzen Dreck, er kannte die Männer und ihre Frauen, die später in Kameras lügen, von ihrem lieben Sohn, vom guten Mann und Vater redend. Kasimir ekelte seine Zugehörigkeit zur Rasse Mensch.
Robert war einfach zu erpressen, wie ein Dackel war er zu Toto gesprungen und hatte sich ihm vorgestellt. Den Rest erledigte einer von Kasimirs Subunternehmen. Sie hatten das Haus gekauft, in dem Toto früher gelebt hatte, sie hatten das Haus gekauft, in dem die Bar befindlich war, wo er auftrat. Und schon war Toto obdach- und arbeitslos. Und er hatte nur eine Option, die Karte des dicken Gesangslehrers. Die rührselige Geschichte des Nierenkranken, dem würde sich der gute Mensch Toto nicht verwehren können, Frau Professor Kasimir hatte gegen einen Forschungsbeitrag nicht unerheblichen Ausmaßes eine gefälschte Organkompatibilität bescheinigt. Der Sänger war natürlich putzmunter, seine Nieren in einem wirklich erstklassigen Zustand. Toto war ins Krankenhaus aufgenommen worden, nun konnte die Sache laufen.
Kasimir hätte erleichtert sein müssen, aber es wollte sich immer noch keine Stimmung einstellen. Er saß in seiner hervorragenden Wohnung und hatte außer einer Dumpfheit kein verdammtes Gefühl vorzuweisen. Sechs Analysten arbeiteten für Kasimir, eine Sekretärin, die sieben Sprachen sehr fließend beherrschte, ein Büro voller Bildschirme, Computer, leise Ledersohlen, keine Hosenträger. Und er stand und zahlte Bestechungsgelder in Umschlägen aus.
Kasimir wusste, dass ein Zuwachs persönlichen Reichtums nichts mehr an seinen Gefühlen ändern würde. Er verfügte über ein Barvermögen, das Verlierer bewegen müsste, voller Unverständnis den Kopf zu schütteln. Wenn wir so viel Geld hätten, würden sie murmeln, dann arbeiten wir doch nicht mehr, wir würden vielmehr bis zum Lebensende, ähm, und dann, nach diesem ähm, gebräche es ihnen an der Vorstellung, was sie mit all den unerfüllten Jahren anfangen könnten, und sie stellen sich in Ermanglung weiterer Visionen irgendetwas vor, das am Strand von Mallorca stattfinden wird. Kasimir wusste, dass es genau dieser Mangel an Phantasie und die große Bereitschaft zum Missgunst ist, was Erfolglosigkeit ausmacht.
Die Diskontierung kommender Gewinne ist der Schlüssel erfolgreicher Hedgefund-Manager. Sagte Kasimir gerne und ungefragt. Er liebte es, diese Nullsätze bewusst auszusprechen, welche die Männer in seinem Umfeld unbewusst verwendeten. Kommunikation war für Kasimir die lächerlichste Erfindung seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Wie alle seine erfolgreichen Kollegen nahm er für kurzfristige Gewinne die Schädigung von Ressourcen in Kauf, die Welt interessierte ihn nicht, und wenn sie verdorrt und ohne Leben im All hängen sollte, dann war es ihm egal. Er wusste, wie kurz die Halbwertszeit seiner Karriere war, wie lächerlich überhaupt der Begriff, bei einer Zeitspanne, die allerhöchstens vierzig Jahre umfasste. Die Karriere, das abstoßendste Wort des Jahrtausends, von jedem debilen Jungen verwendet, der für ein halbes Jahr in einer Boygroup Playback singt.
Von seinem Daybed, die daybedgewordene Perfektion des 1963 von Gianni Songia entworfenen GS 195, sah Kasimir auf die Jogger, die am Ufer des Sees um ihre Unsterblichkeit bettelten. In
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