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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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in dem müden Gesicht nicht mehr sehen konnte. Ich möchte so gerne nicht sterben, hatte das Kind gesagt, und Toto hatte geweint, sosehr sie sich auch hatte stark zeigen wollen. Sie konnte das Kind nicht anlügen, es war schon kaum mehr auf der Welt und wusste es besser. Toto wollte so gerne stark sein, etwas Kluges sagen, aber sie musste so stark schluchzen, dass ihr keine Worte kamen. Das Kind versuchte, Toto zu trösten. Komm, es ist doch nicht so schlimm, du wirst einen neuen Freund finden. Sagte es, und dann, als ob der Zuspruch all seine Kräfte in Anspruch genommen hätte, fiel der kleine kahle Kopf zur Seite, und es war nicht mehr vorhanden.
    Toto hatte, als sie das Krankenhaus verließ und das kleine kalte Kind vor sich sah, das Gefühl, niemand mehr werde sie je so brauchen. Und auch sie werde keinen Freund mehr finden, der nichts wollte, außer dass sie bei ihm war.
    Es war doch alles gelogen gewesen.
    Du musst überhaupt nichts. Wohn einfach bei mir. Lass uns hin und wieder zusammen eine Mahlzeit einnehmen. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Ja, da hatte Peter wohl recht, so eine gemeinsame Mahlzeit ist nicht die Welt, hatte Toto gedacht und wollte dem jammernden Mann auch ein wenig seiner Selbstachtung lassen.
    So beginnen Geschichten, die man am Ende nur noch durch einen Axthieb auflösen kann.
    Die Scham, die man für einen anderen empfindet, weil er sich erniedrigt und um Zuneigung bettelt, die Scham, die man für sich empfindet, weil man seine Gefühle unter Druck setzen lässt, die Verspannung, die falschen Töne, das Umeinanderschleichen, das Gejammer, das Geseufze, der schwere Blick. Lass mich ruhig allein im Dunkel sitzen, nein, es macht mir nichts aus zu frieren, das Wichtigste ist doch, dass es dir gutgeht, all diese Sätze von emotionalen Folterknechten müssen in der UN-Menschenrechtscharta gekennzeichnet und verboten werden.
    Toto hatte die Sozialhilfewohnung nicht ungern verlassen, so viel Ehrlichkeit muss sein, und einige Tage lang sah es aus, als sei die Idee, zu Peter zu ziehen, keine völlig irrsinnige. Das Zimmer von Elefantendecken befreit, die Geruchsampeln verstaut, tote Pflanzen entsorgt, Sebastians Frauendarstellungskleider im Schrank zur Seite gerückt, dann stand Toto am Fenster und überlegte, ob die Straße mit den zu Tode gestutzten Bäumen einfach entscheiden konnte, eine Allee zu sein, so wie sie entschieden hatte, eine Frau zu sein, ohne äußerliche Anstrengungen unternommen zu haben.
    Bald würde sie ein ehrbares Mitglied der Gesellschaft sein, denn sie hatte einen Termin bei der Berufsberatung gehabt.
    Herr, hatte der Berater angesetzt, Frau, sagte Toto, ich würde lieber als Frau angeredet werden.
    Der Berufsberater zuckte kaum, seine Weltordnung würde er sich nicht durcheinanderbringen lassen, Sie gestatten, dass ich mich auf die Angaben in Ihrem Pass verlasse, Herr Toto. Ein guter Start in ein neues Leben, die Atmosphäre im Raum hatte sich verdichtet, als sei die Luft plötzlich zu kleinen Kristallen geworden.
    Ohne Vorkenntnisse, oder haben Sie irgendwelche Vorkenntnisse? Fragte der Mann, und Toto versuchte, wie immer, wenn er Menschen begegnete, die nicht freundlich waren, daran zu denken, dass auch sie geliebt wurden. Eine Frau sitzt daheim und hofft, dass genau diesem Beamten nichts passiert, dass ihm kein Kran auf den Kopf fällt und er abends wieder bei ihr ist. Keiner kann doch wirklich schlecht sein, wenn er jemanden hat, der ihn mag, und diese Vorstellung half Toto meist über ihre negativen Gefühle. Ich kann melken und in der Landwirtschaft arbeiten, sagte Toto durch die Kristallwand, der Berufsberater schien nichts zu hören, und in Ihrem Alter, fuhr er fort, können wir Ihnen nur Aushilfsstellen vermitteln. Auf dem Bau vielleicht, sagte der Mann und musterte Totos Körperbau. Nicht auf dem Bau, gut, eine Kfz-Werkstatt, ein Lagerist wird hier gesucht, eine Museumsaufsicht. Ich würde lieber noch etwas lernen, sagte Toto, dazu ist es doch nie zu spät.
    Natürlich nicht, sagte der Berufsberater selbstgefällig, der Satz hätte von ihm stammen können, ja, er war neben: Was man angefangen hat, muss man zu Ende bringen, sogar sein Lieblingssatz.
    Wir haben hier verschiedene Ausbildungsstellen im Angebot, ich müsste aber mit dem Lehrbetrieb Rücksprache wegen Ihres Alters halten. Tun Sie das, sagte Toto, aber vielleicht schauen wir erst einmal, was mir so liegen könnte. Na, wissen Sie, sagte der Berater, aufgrund der ökonomischen Lage stellt sich diese

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