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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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Toto merkte, was sie angerichtet hatte. Sie hatte von ihrem Leben erzählt, und Peter hatte an seines gedacht. So war das mit den Menschen, immer reden und wollen sie aneinander vorbei.
    Fahren wir in Urlaub, fragte Peter, und Toto sah in sein deprimiertes Gesicht, und sie war von einem Mitleid erfüllt. Dieser arme Mensch, der da sitzt und seine große Liebe verloren hat, der arme Kerl, der vielleicht der einzige ist, der Toto je wollen wird, ja, sicher doch, fahren wir, sagte sie, und, verdammt, warum kann man nie einen Gedanken zu Ende bringen. Warum ist man nur immer mit dem ersten Impuls im Gehirn zufrieden, und redet oder handelt. Mit ein wenig mehr Sorgfalt würden so viele Probleme entfallen. Verkehrschaos, schlecht verarbeitete Schuhe, unglückliche Ehen, das alles muss es doch nicht geben, wenn die Leute ein wenig länger nachdächten. Aber das ist zu anstrengend, zu uninteressant, da muss sofort wieder ein neuer Impuls her. Was hätte sich für ein Elend verhindern lassen, wenn man das Zuendedenken in der Schule lernen würde.
    Natürlich wollte Peter nicht, dass Toto in ein eigenes Leben verschwand. Er liebte die Idee, dass sie von ihm abhängig war. Natürlich setzte er sie wieder mal unter Druck, und dem war Toto erlegen, und nun mussten sie zusammen nach Asien fahren.

Und weiter.
    Die Pfade in Thailand sind völlig ausgetreten. Sagte Peter. Und Toto grübelte unangemessen lange über den Inhalt des Satzes nach, doch ehe sie zu einer Idee gelangte, fuhr Peter bereits fort: Der Asiat an sich, Toto kniff die Augen zusammen, hatte Peter wirklich der Asiat an sich gesagt, oder hatte sie sich das eingebildet, sie war nicht besonders schnell an jenem Tag, eine Reise stand an, und das verwirrte sie sehr, der Asiat an sich also ist sehr tolerant, wegen seiner Religion, weißt du, das ist verrückt zu sehen, dass sie mit zwei Dollar am Tag leben, und ich meine, die wissen ja, was wir verdienen, und dennoch lächeln sie einen an, so von Herzen. Peters Stimme hatte dieselbe Frequenz wie Wassertropfen auf Email. Toto nickte ein, das Flugzeug war noch da, wo es sein sollte. Am Boden.
    Den es zu Totos Verunsicherung im Anschluss unter sich ließ. Zehn Stunden Angst, das versauert jedes noch so gute System. Selbstverständlich hatte Toto viel über Aerodynamik gelesen, so eine Flugreise tritt man ja nicht unvorbereitet an, und doch war ihr die Sache nicht nur ein Rätsel, sondern widerwärtig. Das war also das Fliegen, das alle so betrieben, wie man früher Bus gefahren war. Ohne nachzudenken, mit lässiger Attitüde, die den Menschen sofort verging, wenn das Flugzeug in eine Turbulenz geriet. Fast wünschte man sich anhaltende Stürme, bei jedem Flugvorgang, damit die Menschen drüber nachdachten, was sie da taten. Ist das alles wirklich nötig? Muss man, um seine Freizeit angenehm zu verbringen, unbedingt in andere Länder reisen? Toto blickte auf die Schlafenden, die sie umgaben. Dass einem die Menschen, mit denen man die Atemluft zwangsweise teilt, so unglaublich unangenehm sind. Ruhig, nicht dran denken, nur nicht dran denken, an die kleine Kiste, die im All herumwackelt und Fleisch transportiert, das sich bei einem Absturz vielleicht zu einem großen Haufen formen wird, ob einen das nicht selbst dann noch stören wollte, diese Vermischung der Materie.
    Im Flugzeug nach Bangkok saßen erstaunlich viele einander gleichende Männer. Sosehr sich Toto auch konzentrierte, sie konnte nicht ausmachen, ob alle einen Schnauzbart trugen oder nur so aussahen, und eine erregte Vorfreude ließ sie die Beherrschung über ihre Vokale verlieren.
    Nichts wie weg aus Bangkok, sagte Peter nach der Landung und machte es sich im Anschlussflug nach Kambodscha bequem. Selbstverständlich, Thailand und seine verdammt ausgetretenen Pfade, der Tourist will die Welt entdecken, das ist in ihm drin, im weißen Mann, er will immer irgendwo seine verdammten Fußspuren in unbenutztem Boden hinterlassen. Das Gefühl, der erste zu sein, ist ihm gerade heute, wo es kaum mehr Jungfrauen gibt, immens wichtig.
    Nach der Ankunft in Phnom Penh machten sich die ungefähr zwanzig Stunden Reisezeit in den völlig desorientierten Zellen bemerkbar. Der Verstand kollabierte, das Gehirn noch irgendwo auf Reise, Toto war überwältigt von dem Gefühl, mit dem falschen Menschen an einem Ort zu sein, der auch nicht der richtige war.
    Es war natürlich Totos erste Auslandreise. Und der Moment, da ihr klar wurde, dass die Welt tatsächlich alle diese Länder

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