Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)
in mich hinein. Ich machte meine Schularbeiten und schrieb meine Klassenarbeiten. Ich erledigte alles im Handumdrehen. Dass ich außerordentlich gut malen konnte, merkten auch bald die Lehrer und unterhielten sich darüber. Wenn ich Bilder malen durfte, die ich selber aussuchte, malte ich immer schreiende Gesichter. Wenn ich Bilder malen durfte, die die Lehrer aussuchten, wurden sie in der Schule im Flur aufgehängt. Ich malte wieder mit schwarz, ohne Ärger zu bekommen. Das war wirklich gut.
Die Gespräche zwischen meiner Mutter und Brad wurden immer lauter. Brad trank ganze Flaschen mit gelbem Zeug leer.
Spät in der Nacht hörte ich die beiden nebenan turnen. Brad stöhnte dann immer, meine Mutter nie. Sie war aber auch nicht sehr sportlich.
Brad hatte einen tollen Körper. Mit ganz vielen Muskeln.
Eines Tages fragte er mich, ob er mit mir von Mann zu Mann reden könne. Ich nickte stolz.
„Was weißt du von Sex?“, fragte er mich, und ich sah ihn wie ein Fragezeichen an.
„Was weißt du von Männern und Frauen?“
Jetzt konnte ich schon besser antworten und erzählte ihm alles, was ich im Biounterricht gelernt hatte.
„Und sonst nichts?“, fragte er. „Hattet Ihr nie Sexualkunde?“
Sex … was?“, fragte ich.
„Na, Sexualkunde. Geschlechtsverkehr. Zeugung von Kindern. Menstruation bei Mädchen. Onanieren. Samenerguss.“
Ich starrte ihn an. „Nö.“
„Na, dann wird's Zeit“, meinte er und holte ein Buch aus dem Schlafzimmer. „Ich werde dich jetzt aufklären. Du wirst nächste Woche neun.“
In dem Moment kam meine Mutter heim. Sie war beim Zahnarzt gewesen.
Sie sah das Buch, und dann sah sie Brad an. Der sagte: „Sarah, es wird endlich Zeit.“
Ich dachte, ja, es wird endlich Zeit, dass du Abendbrot machst. Mir hing der Magen schon ganz unten.
Aber sie nahm nur das Buch an sich und sagte: „Das wirst du nicht machen!“, und verließ die Küche. Nein dachte ich, das will er ja auch gar nicht. Ich meine, das Abendbrot machen.
Brad ging zum Kühlschrank und holte sich eine Flasche gelbes Zeug raus. Er schickte mich nach oben. Ich malte und dachte über Worte wie Geschlechtsverkehr, Onanieren und Samenerguss nach. Das Ding mit den Mädchen war mir ziemlich egal. Was war Onanieren? Das Wort hatte ich noch nie gehört.
In der Schule hatte ich überhaupt keine Freunde. Allerdings sah ich oft andere Schüler in kleinen Gruppen in den Ecken stehen und kichern und lachen. Was hatten sie besprochen? Das Onanieren?
Ich beschloss, morgen meinen Biolehrer zu fragen.
Das tat ich und bekam einen riesen Ärger. Ich sagte vor ganzer Klasse, dass es Zeit für mich wäre, etwas über das Onanieren zu lernen. Und für die anderen übrigens auch. So Brads Worte.
Die Klasse schrie vor Vergnügen. Es musste also was Lustiges sein. Das freute mich.
Der Lehrer schickte mich zum Direktor. Ich solle dort warten.
„Was liegt an?“, fragte mich Mr. Cooper, der Direktor, als er mich auf der Wartebank sitzen sah.
„Ich werde über das Onanieren lernen“, sagte ich ihm und nickte dazu. Damit war ich von der Wartebank befreit und saß direkt im Direktorenzimmer.
Mr. Cooper sah mich wütend an. Was war los?
Ich fragte: „Kennen Sie onanieren?“
Das wiederum hatte zur Folge, dass genau 15 Minuten später Brad neben mir saß. Meine Mutter konnte nicht kommen, sagte er. Das war auch besser so. Mit Brad konnte man viel besser alles klären.
Ich sagte: „Das ist Brad. Er kennt onanieren. Er wird es mir erklären.“
Das wiederum bewirkte, dass ich wieder auf die Wartebank im Vorzimmer kam, während Brad dem Direktor wohl das Onanieren erklärte. Dann konnte der wiederum mir alles erklären, und ich konnte es dem Biolehrer erklären, der es dann meinen Mitschülern erklären konnte.
Aber alles kam ganz anders. Erwachsene begreifen oft nichts.
Bob sagte, dass ich viele Dinge unglaublich schnell verstehe, dafür aber andere Dinge gar nicht. Auf jeden Fall hatte ich damals eine Woche Zimmerarrest.
Was nun das Onanieren wirklich war, erfuhr ich zwei Tage nach meinem neunten Geburtstag, also eine Woche später. Von Kenny, in der Schule. Ich mag gar nicht davon schreiben, aber Bob sagte, ich soll alles aufschreiben, was mir einfällt. Puh!
Also, in der Klasse war wegen mir eine riesen Diskussion ausgebrochen. Die Lehrer beobachteten mich überall in den Pausen auf dem Schulhof und nahmen mich im Unterricht nicht mehr dran. Sie wollten wohl nichts mehr von mir hören.
In den Pausen kicherten alle Schüler herum und zeigten mit
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