Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)
unter der Dusche getrieben hätte. Sie sagte, es wäre besser, wenn wir alle die Stadt wechseln würden.
Was habe ich getan? Kann mir das mal einer erklären? Ich kann mich nämlich an nichts erinnern, das falsch war.
Bob sagte, dass es sein könnte, dass ich das Erlebnis verdrängt hätte.
Das kann nicht sein, denn ich kann mich an alles erinnern. Als mein Penis plötzlich steif wurde, bin ich aus der Dusche gerannt und habe mich angezogen. Jemand muss Lügen über mich erzählt haben. Aber niemand hat mich gefragt. Wie immer.
Zu Hause schlug mich Brad erneut zusammen. Meine Mutter schrie. Dann schlug er sie. Wir lagen beide am Boden. Ich sagte zu ihr: „Das geschieht dir recht.“ Weil sie mich von der Schule abgemeldet hatte, ohne mich zu fragen, was los war. Sie hatte nur mit dem Direktor gesprochen. Ganz klar: Da waren irgendwelche Lügen erzählt worden.
Jetzt, wo ich in der Ecke neben meiner Mutter lag, dachte ich, dass ich Brad nichts mehr fragen wollte.
Sooft es ging, ging ich das Bild meiner Eltern im Schlafzimmer anschauen. Das konnte unmöglich meine Mutter sein, die Frau, bei der ich lebte.
Ich machte mir neue Schnitte in den Arm. Das tat gut.
Wir zogen nach Leadville. Allerdings nicht dahin, wo Monica wohnte, sondern in eine richtige Wohnung. Sie war kleiner, als unser Haus in Topeka. Und wir hatten keinen Garten mehr.
Meine Mutter verkaufte dafür das Haus. Ich fragte sie, warum wir kein neues Haus für das Geld kaufen würden. Sie sagte, wir hätten viele, viele Schulden.
Großmutter Elli, der Kaktus, tauchte plötzlich auf. Sie schrie meine Mutter an. Als wäre es nicht schon genug, dass Brad es jeden Tag machte.
Sie schrie: „Du bist nicht in der Lage, dein Kind zu erziehen!“
Für diese Worte mochte ich sie kurzzeitig. Sie hatte mich Kind genannt! Nicht Chrisiii ! Kind klingt so weich, so lieb.
Der Kaktus kam in mein Zimmer gerannt und blieb vor mir stehen. Sie wartete. Würde ich schreien? Würde ich sie schlagen?
Nein, ich sah sie nur an.
„Du kommst mit“, sagte sie und zerrte mich aus dem Zimmer.
Hatte ich richtig gehört? Ich solle mit diesem Kaktus gehen? Wohin?
„Warum?!“, schrie ich. „Meine Bilder!“, schrie ich. „Meine Geschichten!“, schrie ich. Die Fotos!, dachte ich.
Als der Kaktus mit mir an der Haustüre angekommen war, kam Brad gerade heim. Er stellte sich ihr in den Weg. Er schlug mir ins Gesicht, so, dass ich gegen die Wand flog und zu Boden ging. K.O. in erster Runde. Der Kaktus rannte weg.
Brad schliff mich in die Wohnung und verriegelte die Tür.
Eine halbe Stunde später stand die Polizei vor der Tür. Brad machte auf und sagte, dass alles in Ordnung wäre. Elisabeth (Kaktus) Newshorn sei eine alte, vertrocknete und vergrämte Spinnerin.
Ich überlegte, was vertrocknete heißen konnte. Ein vertrockneter Kaktus, klar.
Zwei Tage später stand das Jugendamt vor der Tür. Sie sahen sich mein Zimmer an und fragten mich, ob ich von Brad geschlagen würde. Ich überlegte. Sagte ich ja, müsste ich zum Kaktus. Sagte ich nein, bliebe ich weiter bei Brad und bezog weiterhin Prügel.
Ich sagte: „Nein“, und beschloss, ab morgen Krafttraining zu machen.
Brad fand eine neue Arbeit. Er arbeitete jetzt als Nachtwächter bei einer Firma Sowieso.
So waren meine Mutter und ich jeden Abend alleine in der Wohnung. Das beruhigte unser ganzes Leben.
Tagsüber schlief Brad, und abends war er weg.
Ich fragte meine Mutter: „Warum lebt Brad noch bei uns?“
Sie sagte: „Wegen des Geldes.“
„Ich kann jetzt auch welches verdienen. Dann kann Brad gehen“, sagte ich zu ihr.
Sie sagte: „Schau lieber, dass deine Noten besser werden.“
Es war nur ein kurzes Gespräch, aber es war eins.
Meine Noten wurden nicht besser. Die Schule, in der ich gelandet war, war ein Desaster.
Bob hat mir dieses Wort gegeben. Es bedeutet, dass alles durcheinander war.
Es war laut, dreckig und vulgär (von Bob). Ich traf dort einige Jungs von dem Wohnwagenplatz wieder, auf dem Monica lebte.
In der Schule herrschte eine sexuelle Hemmungslosigkeit (auch von Bob) unter den Schülern. Mädchen fassten Jungs an und umgekehrt. Auf den ersten Blick sicherlich peinlich, aber mir gefiel das irgendwie.
Ich malte in der Zeit kaum noch Bilder und fand auch das Foto von meinen Eltern nicht mehr wieder.
Meine Mutter döste auf dem Sofa. Ich fragte sie: „Hast du das Bild von meinem Vater?“
Sie schüttelte den Kopf.
Sie kann nicht meine Mutter gewesen sein. Mütter tun so etwas nicht.
Ich ging in mein Zimmer und
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