Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)
reicht.“
„Warum lebst du bei Monica?“, fragte Steve.
„Sie hat mich zum Urlaub eingeladen. Sie ist eine Freundin von Brad. Er ist nicht mein richtiger Vater.“
„Trinkt der?“
Ich nickte. „Ziemlich.“
„Meiner auch“, sagte Steve.
„Und dann schimpft er auf Monica? Die trinkt nämlich nicht.“
Steve nickte. „Es sind immer die Richtigen.“
Wir überlegten, ob wir zusammen eine Weltreise machen sollten, aber ich fand es Monica gegenüber gemein und wollte dann doch nicht.
„Vielleicht später“, sagte ich, „wenn Brad mich wieder geprügelt hat. Dann bin ich auch in Stimmung. Aber jetzt? Nö.“
Steve verstand mich. Er sagte, er könne warten und kratzte sich am Kopf. Ein paar Minuten später kratzte ich mich auch am Kopf. Und wie!
Monica rief nach mir. Ich musste heim.
Steve blieb am Feuer sitzen.
Ich fragte Monica, ob Steve bei uns schlafen könnte. Sie sagte, sie wolle mit den Midlands nichts zu tun haben. Mr. Midland würde sie dafür schlagen. Das hatte er schon einmal versucht. Stattdessen brachte Monica Steve eine Decke.
Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, musste immer an Steve denken. Sein Zuhause war viel schlimmer als meins. Irgendwie ging es mir richtig gut.
Ich kratzte mich am Kopf. Die ganze Nacht.
Am nächsten Morgen war ein riesiger Tumult auf dem Platz. Steve war verschwunden! Mit Decke!
Mr. Midland packte mich am Kragen und schrie mich an. Ich ließ mich zweimal von ihm ohrfeigen und stellte fest, dass Brad viel stärker war als er. Doch die ganzen Prügel nützten nichts. Sie brachten Steve nicht wieder zurück.
Er hatte mir aber seine Läuse da gelassen.
Schade, dass meine Stimmung nicht für Steves Weltreise gereicht hatte. Es wäre bestimmt toll gewesen.
Monica kämpfte mit meinen Läusen. Es machte ihr viel Arbeit, aber sie schaffte es, sie von meinem Kopf zu bekommen.
Wir fuhren zum Independence Pass, der höchsten Passstraße in Colorado, und machte ein Foto von mir. Wir wanderten und machten ein Picknick. Die Sonne verbrannte uns den Kopf. Der Ausflug war einfach toll.
Zwei Tage vor meiner Heimreise lernte ich Joshuah auf dem Platz kennen. Er war neu in Leadville und brachte Wodka mit. Für jeden einen Schluck. Und noch einen Schluck. Und noch einen … Das brannte wie Feuer im Hals. Ich wollte nicht mehr, aber er stopfte mir die Flasche in den Hals und hielt meine Nase zu.
Ich wachte im Krankenhaus wieder auf.
Monica saß an meinem Bett und hielt meine Hand. Sie sagte: „Du hast zu viel Alkohol getrunken. Du hast dich vergiftet. Du wärst beinahe gestorben.“
Mir war immer noch schlecht. Ich hatte einen Schlauch im Arm.
Monica fragte: „Wer war das?“
Ich flüsterte: „Joshuah.“
Sie sagte: „Kenn ich nicht. Aber ich werde herausfinden, wer das ist.“
Ich sagte: „Er ist neu.“
Sie nickte und ging für mehrere Stunden von mir weg.
Als sie wiederkam sagte sie: „Erledigt.“
Ich fragte: „Was?“
„Joshuah ist weg.“
Sie nahm mich am Abend mit Heim und legte mich mit Zwieback und Tee aufs Sofa vor den Fernseher.
Sie sagte: „Schade, ich wollte morgen mit dir noch Pizza essen gehen. Aber du darfst erst übermorgen wieder richtig essen.“
Ich hasste Joshuah für den versauten Abschied mit Monica.
Sie drückte mich, packte mir alle Spiele und Rätsel ein und brachte mich wieder nach Topeka zu Brad und meiner Mutter.
Ich dachte, dass es mir zu Hause gar nicht so schlecht ging. Wenn Monica doch nur meine Mutter wäre. Auch als Hure. Dabei war sie gar nicht dreckig.
Zu Hause bemerkte niemand, dass ich wieder da war. Dabei hatte ich so viel zu erzählen. Doch es interessierte niemanden. Es interessierte niemanden, dass ich gekifft und gesoffen und Läuse auf dem Kopf gehabt hatte. Dass ich die höchste Passstraße in Colorado gesehen und Pizza im Restaurant gegessen hatte. Dass ich Worträtsel und Sudoku gelöst hatte.
Ich hatte in den vier Wochen mehr erlebt und gelernt als in den letzten elf Jahren.
Das nennt man einen Bildungsurlaub.
Mein Gefühl zu Brad hatte sich verändert. Ich wusste nicht mehr, was ich von ihm halten sollte.
Er sagte einmal zu mir: „Kannst ja ein scheiß Bild von mir malen.“
Das tat ich. Ich malte, wie er im Wohnzimmer onanierte. Ganz viel schwarz, rot und weiß. Viel weiß.
Ich zeigte es niemanden, nur später Bob. Der schüttelte den Kopf und sagte, dass so etwas nie vor einem Kind passieren dürfe. Es könnte ein Trauma und spätere sexuelle Störungen auslösen.
Ich habe wohl beides wieder mitbekommen.
Das Bild von
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