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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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schnitt mir den zweiten Arm auf.
    Ich kam von der Schule heim, und niemand war da. Das passierte öfters, war aber nicht so schlimm, denn ich hatte einen Schlüssel.
Aber es kam auch bis abends niemand. Es wurde dunkel, und ich wusste nicht, ob meine Mutter und Brad mich verlassen hatten. Deswegen musste ich weinen.
Ich sah zur Straße hinaus, aber Brads Wagen kam nicht. Da beschloss ich, durch die Stadt zu bummeln. Das Alleinsein üben. Ich sah mir die Geschäfte an und war traurig, als ich viele Familien lachen sah. Da tauchte ein Gesicht vor mir auf, das ich kannte. Es war Steve vom Wohnwagenplatz. Der Junge, der auf Weltreise gegangen war.
Ich konnte kaum glauben, dass seine Reise schon zu Ende war. Er muss das Flugzeug genommen haben.
Ich sagte: „Hi, Steve. Was' los?“
Er sah mich an und sagte: „Hi, Chris. Alles klar?“
Ich nickte, und wir bummelten zusammen durch die Stadt.
Ich fragte Steve, was er mit Monicas Decke gemacht habe. Er habe sie verloren, war auch nur vier Tage weg gewesen, da er vor Hunger fast gestorben war. Ich sagte, dass man von Prügel nicht stirbt. Ich wäre auch Heim gegangen.
Wir hatten beide Hunger bis in die Füße.
Ich fragte, was er so spät noch in der Stadt mache. Er sagte, das gleiche wie ich. Ich nickte. Woher wusste er, dass ich verlassen worden war?
Wir hatten kein Geld. Nicht einen Cent. Das Essen in den Geschäften lachte uns an. Ich hatte noch nie gestohlen. Aber Steve. Er sagte, man müsse nur schnell sein. Bei Kindern wäre Stehlen nicht so schlimm wie bei Erwachsenen.
Da konnte was dran sein. Wir überlegten, was wir stehlen sollten.
Ich sagte: „Wir können gleich zu mir. Da ist sowieso niemand.“
Wir stahlen: 3 Äpfel, 1 Tafel Schokolade und 1 Flasche Cola. Ein richtiges Festmahl.
Wie gingen zu mir und fanden noch zwei Eier im Kühlschrank und eine Dose Ananas.
In der Küche begannen wir, unsere Einsamkeit zu feiern. Ich fand noch Bier und Cognac. Wir machten den Fernseher an und grölten bei jeder Szene vor uns hin.
Mann, was hatten wir gute Laune!
Ich dachte, wenn mich morgen keiner zur Schule wach machen würde, dann könnte ich auch bis in die Nacht feiern. Mit Steve, der genauso dachte.
Irgendwann in der Nacht stand Brad vor uns und sah die versaute Wohnung.
Zuerst wusste ich gar nicht, was er in meiner Wohnung  machte. Dann hagelte es Ohrfeigen. Für Steve und für mich. Steve rannte weg. Ich wurde in eine Ecke gedrängt und dachte: Meine letzten Sekunden sind da. So böse sah Brad aus. Doch er schlug mich nicht. Er stand vor mir und sagte: „Deine Mutter ist im Krankenhaus. Die haben ihr den Magen ausgepumpt.“
Ich dachte, na und? Vielleicht was Falsches gegessen. Kann ja passieren.
Dann kotzte ich. Direkt gegen Brads Bein. Der Cognac war's wohl.
Brad zerrte mich unter die Dusche, mit allen Klamotten und duschte mich kalt ab. Das machte mich wieder klar.
Morgens weckte mich niemand zur Schule. Später weckte mich die Türklingel. Brad schlief noch.
Ein fremder Mann stand davor und fragte nach meinen Eltern. Ich rief Brad und musste in mein Zimmer gehen.
Als Brad mich wieder rief, war der Mann weg.
Brad sagte: „Du hast gestern Abend gestohlen.“
Ich sagte: „Ja, ein bisschen. Ich hatte so einen Hunger.“
Brad nickte, anstatt zu prügeln. Er sagte: „Ich möchte, dass du heute Abend das Geschäft von Mr. Benson putzt. Und zwar das ganze, klar?“
Ich sagte: „Klar“, und musste die ganze Nacht putzen. Das Geschäft war ziemlich groß.
Ich fragte Brad, ob ich meine Mutter im Krankenhaus besuchen dürfte. Er sagte, das ginge nicht. Es wären eine Menge Ärzte bei ihr. Mit denen müsse er erst reden.
Brad fasste mich die ganze Woche nicht an. Wenn er kam, ging ich schlafen. Und wenn ich kam, ging er arbeiten. Das klappte gut. Ich aß sieben Tage lang Cornflakes mit Milch. Besser als gar nichts.  
Steve sah ich nie wieder.
    Dann tauchte Monica plötzlich wieder auf. Mann, was habe ich mich gefreut!
Sie brachte Ordnung und gute Laune in die Wohnung.
Brad war wieder etwas fröhlicher.
Monica war ein Engel. Ach, wenn sie doch nur für immer geblieben wäre.
Sie fragte nach meinen Rätseln und Spielen, die sie mir mitgegeben hatte. Leider hatte ich sie noch nicht ausgepackt. Dafür zeigte ich ihr meine Bilder. Sie nahm mich in den Arm und drückte mich ganz lange. Sie war wohl sehr gerührt.
Monica kochte jeden Tag frisches Essen. Es war eine große Freude, nach der Schule heim zu kommen und warmes Essen zu bekommen. Sie sah mir beim Essen zu und

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