Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)
entschied, die Bücher zu lesen und die Angst verwandelte sich in ein Kribbeln. Ich stand immer schon auf Horrorgeschichten. Warum dann nicht die meiner eigenen Familie? Ich las den Titel: Die Scheune .
Ich setzte mich auf's Bett und schlug das erste Buch auf. Das Bild meines Vaters stellte ich so, dass ich es jederzeit sehen konnte. Falls ich Hilfe brauchte.
Es begann in Kalifornien. Wie gerne wäre ich mal nach Kalifornien gefahren. Jim, Linda und Patrick lebten dort. Ach, wäre es toll, wenn sie mich mal einladen würden.
Mein Vater besaß ein Restaurant. Das hieß Running Horse .
(Auf dem Flur klingelte es zum Abendbrot. Ich hatte keinen Hunger. Schon lange nicht mehr. Ich las weiter.)
Ich las, wie fünf Männer meinen Vater in Grund und Boden geprügelt und anschließend diesen höllischen Männer-Sex mit ihm gemacht hatten.
Mir wurde schwindelig! Das Buch war wohl nicht für mich geschrieben. Ich merkte, wie mir übel wurde und dann kotzte ich. Mitten ins Zimmer. Ich warf das Buch weg, das andere hinterher und schlief weinend ein.
Das Zimmer stank fürchterlich am nächsten Morgen. Alles war hart, mein Ekel groß.
Warum hatte Patricks Vater Jim mir die Bücher geschickt? Wollte er mich umbringen? Es ist grausam, wenn man weiß, dass sein Vater gequält worden ist.
Wie sollte ich die Kotze wegmachen? Ich machte es irgendwie.
Unter der Dusche grinsten mich die Jungs, die mit mir bei Sandy waren, an. Mein Hirn rastete plötzlich aus, und ich konnte nicht anders, als auf sie zuzustürmen und einzuprügeln. Natürlich prügelten sie zurück. Sie prügelten mich in Grund und Boden. Ein Betreuer kam rein und zog mich weg. Die Jungs sagten: „Der hat angefangen.“
Sie hatten Recht. Ich bekam einen Tag Bunker und konnte so viel rufen wie ich wollte. Man holte mich nicht vorher raus.
So langsam machte mir mein Hunger Sorgen. Meine Hosen rutschten, und ich hatte keinen Gürtel. Also hielt ich sie fest und ging in den Wäscheraum, um nach einer neuen Hose zu fragen. Die Frau sah mich an und holte einen Betreuer. Der nahm mich mit zu Dr. Grand. Dort musste ich mich ausziehen. Ganz. Mir wurde schwindelig und doof. Dr. Grand legte mich in ein Bett und schob mir einen Schlauch in den Arm. „Damit du genug Flüssigkeit bekommst“, sagte er. Ärzte sind komisch. Ich habe doch einen Mund.
Es ging mir danach tatsächlich besser. Dann bekam ich Tee, und der Schlauch wurde wieder weggenommen. Ich dachte, endlich haben sie es begriffen! Das mit dem Mund.
Kein Bob. Kein Mr. Mintz.
Ein fremder Mann kam auf mich zu und stellte sich als Mr. Milland vor. Mein neuer Psychologe. Nicht die Spur freundlich. Dem würde ich meine Bilder nie zeigen.
Er zog in Bobs Büro ein.
Ich sagte ihm: „Ich bin sehr traurig.“
Er meinte: „Dann tu was dagegen.“
Das versuchte ich ja, aber es half nichts. Selbst die Geigenmusik brachte mich zum Weinen.
Dann konnte ich auch genauso gut das Buch weiterlesen. Das war ziemlich schwierig, denn vieles verstand ich nicht. Wie ich schon sagte, das Buch war nicht für mich geschrieben. Aber ich las weiter. Irgendwas würde ich schon verstehen.
Als ich las, wie mein Vater meine Mutter kennenlernte, ging's mir besser. Sogar richtig gut.
Mr. Milland sagte: „Geht doch.“
Dann ging's wieder bergab. Mein Vater hatte Sex mit seinem Vater! Mit vier Jahren schon! Wie ging das an? Das muss man sich mal vorstellen! So was steht in einem Buch! Wie peinlich!
Dafür prügelte er später seinen Vater zu Tode. Recht so. Das geschah ihm recht. Wenn der wüsste, wie höllisch weh so etwas tut!
Mein Vater war eine richtige Schlägerkante.
Wenn ich draußen über den Hof ging, war ich mächtig stolz. Ob man mir ansehen konnte, wie stark mein Vater gewesen war? Der hatte keine Angst vor dem Prügeln. Auch wenn er nicht immer gewann.
Ich hatte Mut bekommen, weiter zu lesen. Das Leben meines Vaters las sich wie ein richtiger Krimi. Ständig prügelte er sich irgendwo herum. Er machte richtig Krafttraining.
Es war Zeit für mich, auch damit anzufangen.
Dieses Buch fesselte mich Tag und Nacht.
Jetzt weiß ich auch, warum meine Mutter so krank war. Sie war schon in der Zeit mit meinem Vater krank gewesen und lag in einem Krankenhaus.
Zum Schluss lag mein Vater auch in einem Krankenhaus und starb dort.
Es war seltsam. Nachdem ich das Buch zu Ende gelesen hatte, betrachtete ich das Bild mit meinem Vater in der Blutlache. Davon hatte nichts in dem Buch gestanden. Es passte alles nicht zusammen. Wovon sollte das zweite Buch
Weitere Kostenlose Bücher