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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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Überhaupt nicht.
Bei mir im Zimmer lag noch ein anderer Junge, der immer furzte. Er redete mit mir, aber ich konnte ihm nicht antworten.
Niemand brachte mir einen Zettel zum Schreiben.
Eines Tages brachte Dr. Jason einen Mann mit, der fast genauso aussah wie Bob. Der hieß Dan, eigentlich Daniel, und war ein Logopäde.
Dr. Jason sagte: „Dan wird dir das Sprechen wieder beibringen.“
Das war gut. Das brauchte ich auch, um wieder in die Schule gehen zu können. Sonst würden meine Noten für mündliche Beteiligung noch schlechter werden.
Zuerst musste ich mit Dan nur den Mund bewegen lernen. Dan war sehr nett und machte immer viele Witze. Schade, dass er hier im Krankenhaus arbeiten musste. Wir könnten bei uns im Heim so einen Witzemacher gut gebrauchen. Bob fehlte mir sehr.
Ich lernte zu grunzen und zu schreien, aber nicht zu sprechen. Dan sagte, das Problem wäre meine Zunge. Die schliefe immer noch. Also stellte ich mich in eine Ecke und schrie und schrie, um sie wach zu bekommen.
Eine Schwester nahm mich in den Arm. Meine Zunge schlief weiter.
    Ich sollte wieder zurück ins Heim, wollte aber nicht. Wegen meiner Noten und so. Aber ich musste.
Einmal in der Woche musste ich zu Dan ins Krankenhaus und bekam neue Aufgaben zum Sprechen lernen, die ich abends in meinem Zimmer immer machen sollte. Dan schenkte mir einen Wecker, der immer bimmelte, wenn ich sprechen lernen musste. Und dann musste ich 30 Minuten sprechen.
Dan ist ein Zauberer. Ich lernte wieder Sprechen.
    Die Fotos waren aus meinem Nachtisch verschwunden. Mr. Mintz hatte sie also gefunden. Es war nur eine Frage der Zeit, wann ich dafür aufgehangen werden würde.
Als ich wieder einigermaßen sprechen konnte, ging's los: Mr. Mintz holte mich in sein Büro.
Er versuchte wirklich lieb zu sein, aber er nahm mir nicht die Angst vor dem Aufhängen. Ich durfte auf keinen Fall nachgeben, musste um Befreiung kämpfen. Verloren hatte ich sowieso schon. Mr. Mintz durfte die Bücher auf keinen Fall bekommen.
Er fragte mich, warum ich die Bücher verschwieg. Darauf antwortete ich, so dumm, wie ich bin: „Damit sie bei mir bleiben.“
Damit hatte er sein Geständnis und ich hätte mich ohrfeigen können. Diebe sind eben ziemlich dumm, das wurde mir jetzt klar. Dabei war ich nur so durcheinander gewesen, weil Mr. Mintz so eine andere Frage benutzt hatte, als ich erwartet hatte.
Bob sagte, das nennt man psychologisch. Wenn einer so klug fragt, dass der andere sich selbst verpetzt. War Bob nicht auch ein Psychologe?
Ich hatte mich also soeben verpetzt und war sehr wütend auf mich. Ich sollte mich nun selbst verprügeln. Mir fiel ein, ich könnte ja solange vor eine Wand rennen, bis ich umfiele. Das tat ich abends in meinem Zimmer.
Am nächsten Morgen musste ich wieder Urlaub bei Dr. Jason machen. Na, das hatte doch prima geklappt! Ich lebte noch!
Dan kam mich kurz besuchen und freute sich, wie gut ich sprechen konnte. Er sagte aber auch, dass ich unbedingt an meiner Nase arbeiten müsse. Sie war zweimal gebrochen und sah fürchterlich aus. Dr. Jason nannte das eine Gehirnerschütterung . Wenn die Nase kaputt ist, nennt man das Gehirnerschütterung! Die Ärzte sind komisch.
    Mr. Mintz kam mich besuchen und fragte, ob ich überhaupt noch weiter in seinem Heim bleiben wollte. Ich sah ihn an und fragte: „Wohin denn sonst?“ Wollte er mich denn nicht aufhängen?
Er sagte: „Es gibt auch andere Heime, in denen du dich sehr wohl fühlen könntest. Bob arbeitet jetzt in so einem Heim. Er hat gesagt, er würde sich freuen, wenn du zu ihm kommen würdest.“
Die Sache lag doch klar auf der Hand: Natürlich wollte ich das! Zum einen, weil ich dann Bob wiedersehen und zum anderen, damit ich nicht gehängt würde. Mann, hatte ich ein Glück!
Mr. Mintz sagte, das sei in einer Woche möglich. Solange brauche Bob, um mein Zimmer zu renovieren und alles einzurichten.
Ich sagte: „Klasse! Danke!“
    Ist doch klar, dass ich irgendwie Abschied feiern musste. Ich wusste nur noch nicht wie. Also überlegte ich.
Mir fielen die Bücher wieder ein. Ich ging sie ausgraben. Sie waren total hin.
In meinem Zimmer riss ich die Blätter vom zweiten Buch vorsichtig heraus und trocknete sie nacheinander auf der Heizung. Ich wollte das Buch doch noch lesen. Die Stelle mit der Blutlache musste noch irgendwo auftauchen. Und meine Geburt fehlte mir auch noch.
Das erste Buch trocknete ich als Ganzes. Es war ein richtiger Klumpen geblieben. Egal, ich hatte es schon gelesen.
Mr. Mintz teilte mir mit,

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