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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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dass es etwas länger dauern würde, bis ich zu Bob könne, weil er noch viele Formulare auszufüllen hätte. Und die Leute, die diese Formulare bearbeiten, bräuchten oft sehr lange. Bob könne nichts dafür. Das machte auch nichts, denn so hatte ich Zeit, das zweite Buch über meinem Vater zu lesen.
Ich war ganz überrascht, dass mein Vater plötzlich wieder lebte, obwohl er im ersten Buch doch gestorben war. Aber ich war ja auch schon mal gestorben. Als ich mit dem Kopf vor die Eingangstüre der Schule gerutscht war. Dr. Jason sagte, eigentlich hätte ich tot sein müssen, aber ich sei ein Wunderkind. Mein Vater war auch so ein Wunderkind. Ich hatte mal gehört, dass Katzen neun Leben haben sollen. Also war ich sicher: Ein Mensch hat zwei Leben. Ich musste nun vorsichtig sein, denn mein Vater war nach dem zweiten Sterben wirklich tot geblieben. Nun wusste ich, was ich zu erwarten hatte.
Und weil ich manchmal auch klug bin, wollte ich mich gut vorbereiten.
Das zweite Buch über meinen Vater war ziemlich interessant für mich. Ich erfuhr darin viel von meiner Mutter, die schon vor meiner Geburt sehr krank war.
Bob sagte, es sei ihre Seele gewesen. Also, ich habe in einem Lexikon nachgesehen, was eine Seele ist. Es ist kein Knochen, kein Nerv, kein Muskel und kein Blutgefäß. Es ist das, was wir fühlen, wenn wir lachen und weinen. Ich dachte immer, das sind mein Hirn und meine Haut. Obwohl, mit der Haut bin ich mir nicht so ganz sicher. Ich fühle nämlich nichts auf meiner Haut. Weder brennen noch stechen, noch streicheln, noch Kälte, noch Wärme und auch alles andere nicht. Die anderen erzählen mir nur immer davon. Alles was ich spürte, war hin und wieder ein höllisches Brennen an meinem Hinterteil. Das konnte unmöglich die Seele sein!
Bob sagte, die Seele liegt in meinem Körper drin und ist so etwas wie eine weiche Hand. Sie streichelt oder schlägt mich. Sie macht mir Angst oder schenkt mir Freude. Das konnte ich mir gut vorstellen.
Ich habe meine Seele nach meinen Vater genannt, Dane. Von ihm fühle ich mich gestreichelt und geschlagen, geängstigt und erfreut.
    Ich las das zweite Buch zu Ende und fand auch meine Geburt. Ich fand den Schuss, ich fand die Schreierei und die Blutlache. Ich fand die Lieblosigkeit meiner Mutter und die Liebe meines Vaters. Ich fand die Fürsorge meines Großvaters, und ich fand mich selbst als schreiendes Bündel Leben. Das bin ich bis heute geblieben.
Mein Vater wurde erschossen, weil er mich auf die Welt gebracht hatte.
    Nach dem Buch konnte ich meine Abschiedsfeier nicht mehr planen. Meine Seele war so durcheinander, das glaubt mir keiner. Die Seele meines Vaters war auch sehr durcheinander gewesen. Er war nie wirklich böse gewesen, er hat nur immer so komische Sachen gemacht, die die anderen nicht verstanden haben. Genau wie ich. Oder haben wir die Menschen nicht verstanden. Warum? Was ist es, was uns so durcheinanderbringt?
Bob sagte, es ist die Liebe. Wir hätten beide nicht die Liebe unserer Eltern bekommen. Nicht die Liebe, die man braucht, um zu verstehen und im Leben klar zu kommen. Das kann man nie wieder aufholen. Es verfolgt einen ein ganzes Leben lang.
Ich war so traurig wie nie zuvor.
    Als ich mein Zimmer leerräumte, fand ich mein Puzzle wieder. Es war zu schade, dass ich es Mr. Mintz noch nicht gezeigt hatte. Aber vielleicht sollte ich es noch schnell tun, bevor ich ging.
Ich kannte den Hausmeister, der bei uns immer alles reparierte. Er hatte einen Schlüssel für die Sporthalle. Mr. Mintz konnte ich wohl kaum fragen. Er würde wieder etwas Schlimmes dahinter vermuten.
Wann habe ich je schlimme Sachen gemacht?
Ich erklärte dem Hausmeister, dass ich für Mr. Mintz eine Überraschung zum Abschied hätte. Wirklich nichts Schlimmes. Das fand der Hausmeister richtig klasse. Er sagte, dass er mich vermissen würde. Mit mir wäre endlich Schwung in den Laden gekommen. Warum hatte er mir das nicht schon früher gesagt. Uns wäre bestimmt zusammen noch so einiges eingefallen.
Ich bekam den Schlüssel von der Sporthalle. Weil es Samstag war, konnte ich mir viel Zeit lassen. Die Sporthalle wurde nicht gebraucht.
Mit großer Konzentration setzte ich mein Puzzle zusammen. Das war ziemlich schwer, denn ein Teil war immerhin 70 X 50cm. Und wenn man da mittendrin steht, ist es sehr kompliziert. Aber ich schaffte es.
Die ganze Turnhalle war voll. Genauso voll wie bei meiner ersten Ausstellung.
Ich ging auf die Tribüne und betrachtete mein Werk. Es war vollkommen! Es war

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