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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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dachte ich. Das Buch! Er hat wieder ein Buch! Er wird über mich schreiben und es Brisco geben! Er wird zumindest einen Warnschuss gegen mich richten.
„Ich heiße Bob“, sagte ich zu Pilburg, der mich immer noch ansah. Ich sprach zu Pilburg, doch meine Worte waren an Chris gerichtet. Pilburg hielt mir seine Hand freundschaftlich entgegen. „Jack“, sagte er, „mein Name ist Jack.“
Ich hätte gerne Willkommen im Club gesagt, aber ich verabschiedete ihn gerade aus dieser Klinik. Pilburg war am Ende. Er hatte meine kurzfristige Entgleisung nicht bemerkt.
Ich begleitete Jack Pilburg noch zu seinem Wagen und sah ihn nie wieder.
Als ich wieder zurück in meinem Büro war, dachte ich darüber nach, wie ich Brisco am besten von Henrys Missbrauch erzählen könnte, ohne dass Pilburg zu schlecht dastand. Es gab nur den Weg, dass ich ein Stück weit die Schuld auf mich laden müsste. Wobei man bedenken muss, dass auch Brisco von Chris' Aufzeichnungen wissen musste. War ich nicht derjenige gewesen, der öfters nach hormonhemmenden Medikamenten für Chris verlangt hatte? Verdammt, ich wollte schon lange seinen Trieb behandeln.
In mir kam ein kleines Triumphgefühl hoch. Das fand sofort wieder einen Dämpfer, als ich an das Buch dachte, dass Chris nun in seinem Zimmer hatte. Ich musste es ihm wieder wegnehmen, bevor Brisco es in die Hände bekommen würde.
Schnellen Schrittes bewegte ich mich über den Flur zu Chris' Zimmer. Ich schloss auf ohne zu klopfen. Chris war weg! Das Buch auch! Alles war weg! Selbst das Bettzeug!
Mir schoss das Adrenalin in den Kopf. Ich lief ins Personalzimmer. Annie bereitete gerade die Medikamente für den Abend vor.
„Wo ist Chris Gelton?“
Annie sah auf. „Dr. Brisco hat ihn geholt.“
„Und seine Sachen?“
„Die hat Josh rausgeholt.“
„Wohin?“, fragte ich aufgebracht.
„In Trakt drei.“ Annie sah kurz ins Personalbuch, worin alle Vorgänge auf der Station eingetragen werden. „Isolierraum 23.“
Mir entgleisten meine Gesichtszüge. Isolierkammer? Einen Zwölfjährigen?
Mir kam der Rechtsanwalt der Eltern in den Sinn. Vielleicht war dieser Schritt rein rechtlich notwendig, um eine Anklage abschmettern zu können. Brisco musste irgendwie reagieren.
Wie es auch immer sein mochte, ich brauchte das Buch. Brisco hatte von Anfang an recht gehabt. Jeder hatte recht gehabt. War ich der einzige Idiot, der hier herumlief?
Dass ich lief war klar. Nämlich zu Briscos Büro. Diesmal war die Tür geschlossen. Ich klopfte an und jemand rief: „Jetzt bitte nicht.“
„Ich bin's“, sagte ich, „Bob.“
Ich hörte, wie sich Schritte näherten. Brisco öffnete und sah durch einen Türspalt hinaus. „Bob, es geht jetzt nicht. Mr. Kalinski sitzt hier mit Chris.“
Diese Worte reichten, um mich noch zusätzlich aufzuregen. Mr. Kalinski, der Anwalt der Eltern, sprach gerade mit dem Teufel persönlich. Nach dem Gespräch musste sicherlich die neue isolierte Unterkunft für Chris vorgewiesen und besichtigt werden. Und ich wurde bei dieser ganzen Prozedur ausgeschlossen! Das war das Schlimmste. Was mochte Chris dem Anwalt gerade erzählen? Inwieweit würde er mich in die ganze Sache mit hineinziehen?
Was sollte ich jetzt nur tun? In meinem Büro hatte ich genug Arbeit liegen, aber mir fehlte jede Konzentration dafür. Sollte ich Jenny anrufen? Das tat ich nicht. Stattdessen lief ich in Trakt drei und suchte das Zimmer 23 auf. Vielleicht fand ich Josh und konnte mal im Zimmer nach dem Buch suchen. Auch nach Chris' Terminplaner musste ich suchen. Ich wusste nicht, wo er inzwischen hineingeschrieben hatte.
Josh war nirgends zu finden. Und in Chris' Zimmer durfte ich nicht hinein. Strenge Anweisung von Dr. Brisco. Ich musste mir erst eine Genehmigung holen. 
Ich ging in mein Büro und harrte den Dingen, die kommen mögen. Und das dauerte nicht lange. Nach wenigen Minuten klopfte Henry an meine Tür. Henry! Auch das noch!
Den kleinen Kerl hatte ich vollkommen vergessen. Ich bat ihn sofort herein. Kleiner, armer Henry. Er wirkte noch kleiner und unscheinbarer, als ich ihn vor dem Ausflug in Erinnerung hatte. Ich bot ihm sofort einen Platz an und fragte ihn, ob er etwas trinken mochte. Nein, wollte er nicht. Sein Gesicht war noch leicht weißlich gerötet. Er war ein Weißer im Camp gewesen und wollte wissen, wo Dr. Pilburg sei. Er könne ihn nirgends finden. Sein einziger Vertrauter auf der Station derzeit. Wie sollte ich ihm klarmachen, dass sein Vertrauter nie wieder kommen würde?
„Dr. Pilburg ist

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