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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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Chris.
„Wohl eher das Trinken.“
„Cola ist auch schlecht für die Gesundheit. Hat auch Brad immer gesagt. Bier sei da schon gesünder.“
„Klar“, sagte ich. „Wenn Cola schlecht ist, dann tut man eben etwas rein, damit man sie besser verträgt. Damit man ruhiger wird.“
„Genau“, sagte Chris, völlig unbefangen.
Ich redete weiter: „Du hast dein Bestes gegeben, um ihm zu helfen.“
Und wieder: „Genau.“
„Das war mies von dir“, sagte ich endlich, um diesem dummen Gespräch ein Ende zu setzen und setzte mich zu ihm aufs Bett. Chris fühlte sich sofort unwohl und sagte: „Wo ist mein Buch? Ich werde dir darin alles erklären.“
Klar, dachte ich, nach eigenem Gutdünken. Ein neues Glatteis schaffen.
„Du kannst dieses Buch für deine Erklärungen benutzen.“ Ich hielt ihm Briscos Buch hin. Chris schüttelte den Kopf. „Ich will mein Buch“, sagte er trotzig und laut.
Ich stand auf. „Ich habe verstanden, Bursche.“ Jetzt war ich das Gespräch endgültig leid und fragte: „Wo ist Henrys Pillendose?“
„Hab ich im Camp weggeschmissen.“
Wie einfach.
„Aha. War sie leer?“
„Weiß nicht.“
„War sie leer?!“
„Kann mich nicht mehr erinnern.“
„Hast du noch andere Pillendosen aus Dr. Pilburgs Koffer genommen?“
„Was sollte ich damit?“
„Eine Giftmischung herstellen, zum Beispiel.“
Chris erhob sich. Zum ersten Mal sah ich Zorn in seinem Gesicht. Er wurde rot. Das schimmerte durch die immer noch leicht grauschwarze Farbe in seinem Gesicht hindurch. Dann schrie er: „Ich bin ein Kind! Ich kann keine Giftmischungen machen! Das weiß doch jeder!“
„Das ist doch nicht schwer“, sagte ich. „Das kann doch jedes Baby.“
„Wie!?“, schrie Chris.
„Immer rein in die Flasche. Was das Zeug hält.“
„Daran kann ich mich nicht erinnern!“
„Gut,“, sagte ich, um das Spiel zu beenden, „dann nimm dieses Buch und erinnere dich!“
Ich schmiss ihm das Buch auf sein Bett und ging zur Tür.
Ich wollte gerade das Zimmer verlassen, als ich ein Flüstern hörte: „Ich liebe dich doch, Dr. Bob Koman.“
Ich hielt inne, sah aber nicht zurück. Chris` Liebe tötet, dachte ich nur und verschloss das Zimmer hinter mir.
    Dr. Pilburg kam mir auf dem Flur entgegen und sprach mich an: „Kann ich mit Ihnen reden?“
„Sicher“, sagte ich.
Pilburg und ich waren nach monatelanger Zusammenarbeit auf der Station immer noch förmlich im Umgang miteinander. Keiner von uns hatte das je geändert. Manchmal passt nur diese Förmlichkeit zueinander.
Wir gingen in die Mensa der Schule, wo uns niemand störte. Auf dem Weg dorthin lugte ich in Jennys Klassenzimmer. Sie war mit dem Dekorieren fertig. Es sah wunderbar aus. Sie hatte Blickoasen geschaffen. Auf einer Seite waren die selbst gemalten Gesichter der Schüler. Chris' stach beängstigend gequält heraus. Auf der anderen Seite waren Landschaften, darunter eine abgebrannte Farm. Und auf einer Seite waren die Familien der Schüler. Darunter nur ein Mann, der stechend scharf wie ein Foto gemalt war. Er schaute wie ein gütiger Schutzengel hinunter auf die Klasse. Es sah beängstigend aus, wenn man Bescheid wusste. Chris hatte sich seine eigene Aufsichtsperson in der Klasse geschaffen.
Pilburg und ich setzten uns in eine Ecke der Mensa. Mein Kollege hatte dunkle Ränder unter den Augen und war unrasiert. Er sah wirklich nicht wie ein Arzt aus. Oder doch? Vielleicht gerade richtig für diese Station.
„Ich habe mit Henry gesprochen“, eröffnete Pilburg das Gespräch. Ich dachte kurz daran, ihm meinen Vornamen anzubieten, ließ es aber sein. „Wie geht’s dem Jungen?“, fragte ich direkt.
„Er muss von diesem Gelton getrennt bleiben.“
„Was ist passiert?“ Na ja, außer dass Chris ihn eine Nacht gefesselt hatte.
„Chris hat ihn angefasst, sagt er“, sagte Pilburg und sah mir in die Augen.
„Was?“, rief ich irritiert. Chris hatte noch nie einen anderen Jungen von alleine angefasst. Und genau das sagte ich.
„Dann war's diesmal das erste Mal“, entgegnete mir Pilburg.
„Warum hat mir Dr. Brisco das nicht gesagt?“
„Weil ich es erst gerade selbst erfahren habe. Ich traf Henry zufällig, und er war so komisch zu mir. Da habe ich ihn angesprochen.“
„Was hat er erzählt?“, fragte ich neugierig.
„Wollen Sie das wirklich wissen?“
„Sicher!“
Pilburg sagte: „Er hat die Chance genutzt, als Henry festgebunden war. Wie eine Domina sozusagen. Henry sagt, Chris habe sein Glied zunächst nur angefasst, dann aber mit Gewalt

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