Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
Transparenz! Die Mitarbeiter haben doch glatt von der Flexibilität Gebrauch gemacht und sich so ähnlich verhalten wie die New Yorker Taxifahrer. Der Schritt kam überraschend, denn das Homeoffice ist im Grunde ein wunderbares Beispiel, wie man die Kosten auf die Mitarbeiter abschiebt und das als Mitarbeiterfreiheit verkauft. Was auch immer sich Yahoo von dem Schritt verspricht, das Beispiel zeigt deutlich, wer das Sagen hat. Die Ansprüche der Generation Y interessieren die Gates, Zuckerbergs oder Mayers nicht die Bohne. Wenn die Zahlen nicht stimmen, dann wird das Homeoffice-System von einem Tag auf den anderen eingestellt, und die Arbeitnehmer können sich in der Nähe des Firmensitzes eine Wohnung suchen und einen Kindergartenplatz für die Kinder und eine neue Schule, und der Partner pendelt halt eine Zeit lang. Ist ja alles ein »System der Freiheit« (Smith) mit Verträgen, die beide Seiten kündigen können. Wer glaubt, dass er im kalifornischen Kapitalismus als Arbeitnehmer eine Chance gegen die Konzerne hat, der dürfte zu tief an einem alten Joint gezogen haben, den ein Hippie liegen gelassen hat.
Der Trend zu einer weitreichenden Flexibilisierung des Arbeitslebens wird die Menschen als Verlierer haben, die an einem Ort ihre Familie aufbauen und sich nicht vollständig der puritanischen Arbeitskultur unterwerfen wollen. Denn die flexible Welt bedeutet, dass Paare an getrennten Orten leben und arbeiten werden. Freiberufler stehen für prekäre Zuliefererjobs Gewehr bei Fuß, während die klassischen Festangestellten abgebaut werden. Viele Menschen werden mehrere Jobs zugleich haben. Der Auftrag auf Zeit ersetzt die feste Stelle. Möglich, dass man fünf verschiedene Arbeitgeber hat, die einen jeweils nur für ein paar Tage buchen. Schon in zwanzig Jahren, so eine Projektion der Bundesagentur für Arbeit, befindet sich »ein Großteil der Arbeitnehmer in unbeständigen Beschäftigungsformen und bildet eine flexible Randbelegschaft«. Arbeitsverträge werden nur noch Mindeststandards definieren, entlohnt wird erfolgsorientiert. Vorübergehende Arbeitslosigkeit wird nichts Ungewöhnliches mehr sein, da sie zur Alltagserfahrung der Menschen gehören wird. Alle anderen Glücksgüter haben da noch mehr das Nachsehen als heute schon.
»Die Europäer sind die Faulpelze der Welt«
Die Arbeitgeber sehen schon, dass das Leben für die Mannschaft im Hamsterrad nicht leichter wird, trotz der Eigenverantwortung und der Kreativität, an die besonders die jungen Beschäftigten glauben. Aber sie verweisen auf ihre Zwänge, denn sie sind auch nur »Sklaven« der Märkte. Sie geben den Druck weiter. Jeder Gedanke an Entschleunigung oder an eine Verlangsamung der Tretmühle ist eigentlich schon Meuterei. Die Politik sekundiert: »Die Deutschen müssen sich gewaltig anstrengen, um ihren hohen Lebensstandard auch in den nächsten Jahrzehnten halten zu können« 42 , fordert der Vorsitzende der Unionsfraktion Volker Kauder in seiner Weihnachtsansprache, und Wirtschaftsminister Philipp Rösler ergänzt, noch sei »Zeit für eine Aufholjagd, die in den Kitas und in der Grundschule beginnen muss«. Für ihn kann der Optimierungsterror nicht früh genug anfangen, am besten schon im Mutterleib. Das hat die FAS dazu veranlasst, in einer Kolumne Arbeitgeberpräsident Hundt vorzuschlagen, doch eine Verkürzung der Schwangerschaft zu fordern. »Neun Monate, das muss doch heutzutage nicht mehr sein. Da könnte doch nach 38 Wochen Schluss sein. Dann ist das Kind fertig und macht es sich da drinnen nur noch unnötig gemütlich. Frauen könnten es zwei Wochen früher zur Welt bringen und zwei Wochen früher wieder arbeiten.« 43 Der Produktivitätsgewinn entspräche 1,3 Millionen Arbeitswochen! Die Kolumne illustriert ganz gut den Geist des neuen Kapitalismus, in dem wir leben. Das Gerede von der bunten und flexiblen Arbeitswelt verdeckt die Konflikte: Mütter und Väter, die arbeiten wollen, haben nicht die gleichen Interessen wie die Wirtschaft. Sie wollen nicht ununterbrochen verfügbar sein, aber genau dahin geht der Zug der kreativen und digitalen Wirtschaft. Es sieht nicht so aus, als ob die Zwänge abnehmen. Weber hat es ganz richtig beschrieben. Und diejenigen, die den Job als Teil ihrer Persönlichkeit sehen, brauchen nur länger, um das zu begreifen.
Für ein glückliches Leben dreht sich das Hamsterrad zu schnell, für Politik und Wirtschaft dreht es sich zu langsam. Die Läufer sollen schneller werden, und damit sie das tun,
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