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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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Arbeitsvertrag haben und dennoch stolz sind, bei was für einem coolen Unternehmen sie sich einbringen dürfen.
    »An die Stelle des verloren gegangenen Pflichtbewusstseins traten Werte des Selbst«, schreibt Sasse. »Gut ist nicht, was gottgefällig ist, sondern das, was sich gut anfühlt und Spaß macht.« 40 In Qualitätszirkeln tüftelten Arbeitnehmer an neuen Ideen. Innovation und Kreativität wurden zu wichtigen Ressourcen. Der Einzelne integriert sich quasi ständig selbst. Umgekehrt erfüllen die Unternehmen die Forderungen nach Freiheit. Dieser kreativen und selbstbestimmten Arbeitsweise kamen viele technologische Neuerungen (Software, Internet) entgegen. Seit Ende der 90er Jahre traf das alles besonders im Silicon Valley aufeinander: die Vereinigung von romantischem Selbst, Gott, Technologie und geldgetriebener Effizienz. Wer die hymnischen Erfolgsgeschichten von Google, Apple oder Facebook liest, glaubt sich in einem kalifornischen Märchen: Das Geschäftsmodell ist sozial, Dienste werden verschenkt (Google, Facebook), und es geht nur um das Gute, to make the world a better place , sie sind unheimlich ökologisch und politisch korrekt und als Arbeitgeber beliebt. Die CEO s sind ausnahmslos Gutmenschen und Milliardäre, und alle sind glücklich. Eine unendliche Win-win-Situation (Harvard-Prinzip!).
    Sinn und Spaß beim Arbeiten – ein Märchen?
    Es ist klar, dass gegen diese angelsächsische Idylle ein Franzose Einspruch erhebt: Luc Boltanski glaubt das Märchen einfach nicht. Das »stahlharte Gehäuse« hat sich nicht in Luft aufgelöst, und alle arbeiten verzückt bis spätnachts in den coolen Lofts. Die Selbstverwirklichung hat auch ihren Preis: Der flexible Mensch »opfert einen gewissen Aspekt seines Seelenlebens, seiner Beständigkeit sich selbst gegenüber« 41 , schreibt er. Authentizität und Flexibilität passen einfach nicht zusammen. Wie soll jemand, der sich ständig anpasst, authentisch bleiben? Wenn alles so unheimlich sinnstiftend und motivierend sein muss, wer putzt dann die Toiletten und liefert die Pakete aus? Im Ergebnis sind die Leistungsanforderungen komplexer geworden und härter, denn für die intrinsische Motivation ist der Arbeitnehmer heute selbst verantwortlich. Er übernimmt mehr Risiko und bezahlt mit brüchigeren Karrierewegen und einer Beschleunigung der Abläufe. Wenn der Job bei Google so erfüllend ist, dann ist jede Kritik an den Arbeitsbedingungen unberechtigt. Im Grunde könnten die coolen Firmen auch noch Geld verlangen, dass man sich bei ihnen arbeitend selbst verwirklichen darf. Klar, dass sich ein echter Hippie im Grabe umdreht, wenn ihm vorgehalten wird, den Kapitalismus noch effizienter und in gewisser Weise auch attraktiver gemacht zu haben.
    Aber genau so ist es. Die neue Generation Y, die nach 1980 Geborenen, passt da gut ins Bild: Sie möchte viel leisten, aber sie ist auch anspruchsvoll und will in der Arbeit Sinn und Spaß finden und dabei die Work-Life-Balance mit der Familie hinkriegen. Die Rechnung wird nicht aufgehen. Das beginnt schon mit dem Wunsch, alles zu vermeiden, was keinen Spaß macht und keinen Sinn stiftet. Doch 80 Prozent der Arbeit in jedem Job sind nun mal Arbeitsroutinen. Was ist so kreativ daran, für Google-Kunden Werbeanzeigen zu platzieren oder den Absatz von Smartphone-Verträgen um 10 Prozent zu erhöhen, oder für Bayer zwanzig Jahre lang Aspirin C zu vermarkten? Nichts gegen diese Jobs, sie zählen zweifellos nicht zu den schlechtesten, aber sie sind doch auch Routine, langweilig, und vor allem rechtfertigen sie es nicht, die anderen Glücksbringer wie die Familie, die Freunde, die Gesundheit und die Muße deshalb zu vernachlässigen. Wenn die Generation Y die Unternehmen dazu bringt, die Flexibilität in ihrem Sinn so zu öffnen, dass sie ihre Arbeitszeit verringern und Auszeiten für die Familie nehmen können, dann sind sie auf dem richtigen Kurs. Wenn sie es schaffen, die anschwellende Flut von Zielvorgaben und Reglementierungen (Compliance etc.) zurückzudrängen, wäre ihnen ein wichtiger Schritt zur Verringerung beruflicher Unzufriedenheit gelungen. Doch machtpolitisch sind sie dafür viel zu schwach (weil zu jung).
    Bei Yahoo hat die smarte Marissa Mayer soeben, mit einem Federstrich die lockere Homeoffice-Kultur beseitigt. Die 14 000 Mitarbeiter müssen jetzt wieder in der Firma antanzen und Präsenz zeigen. Mayer war aufgefallen, dass sich die Externen zu spät in die internen Datennetzwerke einloggen. Schöne neue

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