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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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zu der enormen Diskrepanz zwischen knallharten Geschäftsmethoden à la Google und Microsoft und der Moralisierung, die diese Unternehmen gleichzeitig fördern und propagieren? Ein Grund ist sicherlich, dass Compliance & Co. die Mitarbeiter besser denn je kontrolliert. Die Programme sparen Kosten (Restaurant, Hotel etc., Umweltschutz), erhöhen den Gewinn für die Aktionäre und disziplinieren die Angestellten. Warum sollten die Firmen das abstellen? 20
    Tue nichts Böses – schöner Wahlspruch, an den du dich nicht zu halten brauchst.
    Das richtige Moralmanagement ist eine puritanische Spezialität. Schon Thomas Jefferson, der Verfasser der Unabhängigkeitserklärung, brachte es fertig, darin zu behaupten: » all men are created equal« , während in seinem Betrieb die Sklaven schufteten. Moral muss nützlich sein, ist der puritanische Quellcode. Wenn die Moral den Gewinn steigert, ist sie gut, wenn sie ihn senkt, ist sie schlecht. Der kalifornische Kapitalismus, dessen Ideologie derzeit in Europa eindringt, hat die Symbiose von Gewinn- und Moralmaximierung noch verfeinert. Was uns bereits bei der intrinsischen Arbeitsmoral und der romantischen Konsumkultur in den ersten Kapiteln begegnet ist, findet sich auch hier: Marktradikale Nutzenmaximierung hat sich mit der Sharing-Kultur der Hippies verknüpft, die Wall Street mit dem Silicon Valley. Was sich noch in den 60er Jahren diametral gegenüberstand, feiert heute sein Hochamt im ultimativen Abcashen, etwa beim Börsengang von Facebook. Symbolisch dafür Mark Zuckerberg im T-Shirt neben den dunklen Anzugträgern von Goldman Sachs 21 , die bei dem Deal mächtig verdienten und, so what , der Manipulation verdächtigt wurden. 22 Hier kommt alles zusammen: die Sharing-Kultur, technologischer Fortschritt, hohe Arbeitsproduktivität und maximaler Return on Investment. Dass die propagierte Moral mit der Praxis des Profitmachens, nüchtern betrachtet, nicht zusammenpasst, etwa Googles Motto » Don’t be evil« (Tue nichts Böses) mit seinen rüden Geschäftsmethoden, stört kaum einen. Anything goes. Die hohe Schule des Moralmanagements eben.
    Darwin oder: Wenn die Leistungsträger mal streiken, dann gnade Gott den Losern.
    Der kalifornische Kapitalismus hat das Prinzip »Moral muss nützlich sein« auf ein zeitgenössisches Niveau gebracht. Er besteht aus zwei Strängen, ich nenne sie »Darwin« und »Jesus«. Sehen wir sie uns einmal genauer an: Darwin, das sind die knallharten Profitmaximierer, die eine sozialdarwinistische Moral vertreten. 23 Die geht ins 19. Jahrhundert zurück, ist aber durch die einflussreiche Vordenkerin Ayn Rand heute wieder sehr aktuell. Rands Anhänger reichen von Alan Greenspan 24 bis zum Vizepräsidentschaftskandidaten Paul Ryan 25 , auch Facebook-Finanzier Peter Thiel und Wikipedia-Gründer Jimmy Wales gehören zu ihren Bewunderern. Rand, eine aus der Sowjetunion vertriebene Radikalliberale, vertritt in ihren Romanen und in ihrer Philosophie eine Mischung aus Nietzsche und Darwin. Sie idealisiert den Egoismus und den Kampf ums Dasein: Der Kapitalismus ist noch nicht Wirklichkeit, » we have still a long way to go « 26 , er ist noch eine Utopie. Rand verehrt die heroischen Tatmenschen, die unentwegt arbeiten, planen und handeln. Ihnen stehen dekadente Sozialschmarotzer gegenüber, die die Übermenschen nur ausbeuten. 27 Gut ist alles, was produziert und Geld abwirft, schlecht ist der Staat, weil er umverteilt und die Faulenzer ernährt. Eine Gesellschaft von Genies könnte ohne den Rest der Menschheit überleben, doch umgekehrt gilt das nicht. Wenn die Leistungsträger mal streiken, dann gnade Gott den Losern. Also sollte man sie nicht durch zu hohe Steuern reizen, lautet Rands Botschaft. Das Idyll, in das die Übermenschen sich in Rands Roman Atlas Shrugged zurückziehen, ist eine langweilige, paternalistische heile Welt disziplinierter, hart arbeitender, asexueller, autistischer Individualisten. Spielten Rands Romane im Jetzt, würden sie als Sanierer auftreten, Effizienzprogramme auflegen, Profitcenter einrichten oder ganze Branchen mit dem Online-Handel gnadenlos eliminieren. Denn das Neue ist immer das Bessere. 28 Die Brücke zum Unternehmertum schlug als ein Vorläufer von Rand bereits Joseph Schumpeter: Der Unternehmer verhindert die moralische Erschlaffung der Gesellschaft, weil er die Energie für die anscheinend notwendige »schöpferische Zerstörung« des Bestehenden aufbringt. Schöpferische Zerstörung im Dienste der

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