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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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Kreativität verbindet ihn mit dem Künstler. Konsequenterweise gesteht Schumpeter den »Revolutionären der Wirtschaft« zu, alle sozialen Bindungen und das »System der überindividuellen Werte« bedenkenlos brechen zu dürfen, um neue Möglichkeiten in der »Kombination von Dingen und Kräften« 29 auszuprobieren. Rands Helden vertreten allerdings eine Moral, die auch von modernen Künstlern unterschrieben werden könnte: »Alles Kreative kann nur unter der Anleitung eines einzelnen, individuellen Gedankens entstehen. Das erste Recht auf der Erde ist das Recht des Ichs. Die erste Pflicht des Menschen ist die sich selbst gegenüber«, heißt es in ihrem Roman Fontainhead .
    Jesus Christ Superstar oder: Alles teilen in der Community.
    Jesus, das ist der zweite Strang des kalifornischen Kapitalismus. Die Sharing-Kultur, Jesus Christ Superstar, Hair und das Wassermann-Zeitalter, das den neuen Menschen hervorbringt, diese Ideen tragen die Hippies bei, mit » some flowers in your hair« . Das ist die pietistisch-romantische Wurzel, wie sie recht typisch vom Dichter Ralph Waldo Emerson Mitte des 19. Jahrhunderts repräsentiert wurde: »Der neue Mensch ist ein junger Mann, der keinen bestimmten Platz in der Gesellschaft hat, kein Erbe besitzt, sich nicht an einen einzigen Beruf hält und sich jenen widersetzt, die ihn auf eine Rolle, auf einen Status reduzieren wollen. Er kann auf sich zählen, denn er besitzt keine sozialen Kennzeichen; er ist völlig autonom und auf zahlreichen Gebieten fachkundig.« 30
    Man sieht heutige Lebensentwürfe gleichsam vor sich. Dass sich Künstler autonom und über bürgerliche Moralvorstellungen erhaben fühlen, gehört zur Grundausstattung ihres elitären Selbstbewusstseins. Für sich selbst nehmen die Künstler und Intellektuellen seit der Boheme gern Sonderrechte in Anspruch. Bürgerliche Vorstellungen von Eigentum, Treue, Verantwortung, Haftung etc. gelten so nicht für sie, darüber sind sie erhaben. Im Tristan beschreibt Thomas Mann diese Verachtung der bürgerlichen Welt: »… all dies dumpfe, unwissende und erkenntnislose Leben und Handeln.« Dagegen arbeitet der Künstler für die Kunst und fühlt sich auch moralisch als etwas Besonderes. Auch nimmt er für sich in Anspruch, die Gesellschaft völlig umzuformen und utopische Vorstellungen zu entwickeln. 31
    »Schöpferische Zerstörung« des Alten, so verstanden sich auch die Futuristen und Konstruktivisten, die Bohemiens, die mit André Breton auch mal mit dem Revolver in die Menge schießen wollten. Ihre Epigonen in Amerika, die Hippies, nahmen auch religiöse Ideen auf, besonders die »urchristlichen« Vorstellungen vom Teilen in der Community, die sich dann in der File-Sharing-Kultur des Silicon Valley wiederfinden. Wie 1969 in Easy Rider , wo Peter Fonda sowohl vom Drogenhandel lebt als auch den Pioniergeist der HippieBewegung repräsentiert: die Freiheit des Einzelnen, unabhängig von der Gesellschaft sein Leben zu gestalten, ob mit Viehherden, mit Drogen oder eben heute mit Software. Und wie damals der Joint durch viele Hände kreiste, kann heute schon mal eine Raubkopie durch viele Hände gehen. Aber das ist nur Nostalgie, die der Story hilft, sich gut zu verkaufen: Eine wunderbare Kultur des Reichwerdens und Gutseins konnte sich entwickeln, die den kalifornischen Kapitalismus im Selbstverständnis seiner Millionäre zum idealen Ort macht.
    In Kalifornien vertragen sich Jesus und Darwin.
    Die Welt verändern wollen auch Google, Amazon, Apple, Facebook & Co. In der digitalen Boheme finden deren rüde Methoden ihre nachsichtigsten Anwälte und die Innovationen ihre größten Befürworter. Beide lieben die Rhetorik der Weltverbesserung und des Fortschritts. Der kalifornische Kapitalismus und die digitale Boheme sind Freunde geworden. Beiden gefällt das. Beide schreiben am Skript derselben Story, einer besseren Welt und eines authentischen Lebens, das angeblich das Internet möglich macht. Es ist die Versöhnung von Romantik und Konsumkapitalismus. Im Internet dringe ich in andere Welten vor, bin ich bunt, erfinde ich mich neu. Es geht um die Steigerung in allen Lebensbereichen als individuelles und kollektives Projekt – um die stete Ausdehnung des Möglichkeitsraumes. Mit »Google Maps« sehe ich die Welt vom All aus. Mit »Google Street View« überwinde ich Zeit und Raum. Die Kapitalismuskritik der Romantik ist an ihr Ende gekommen. Eric Schmidt, der CEO von Google, und der Blogger Sascha Lobo sind sich einig. Wer kein

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