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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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»Geschäftsmodell« hat oder wem sein altes durch die Digitalisierung weggenommen wird, der hat eben seine Existenzberechtigung verloren, ob das Verlage sind, der Einzelhandel, die Innenstädte. Who cares? In der digitalen Welt kann man träumen von idealen Welten und Gegenwelten, von Surrogates, i-Robots, Pirat Bays. Ja, Schmidt und Lobo sind sich einig: »Man kann nicht auf alle warten, das geht heute nicht mehr.« 32
    In Kalifornien vertragen sich Darwin und Jesus. Schenken Google und Facebook nicht alles her? Die Suchfunktion ist genauso umsonst wie die Mitgliedschaft im Social Network. Alles sieht so freiwillig und easy aus. Und machen Google und Facebook nicht alle reich? Nicht alle, aber ein bisschen diejenigen, die den harten Ausleseprozess überstanden haben, den etwa Google seinen Einstellungsbedingungen zugrunde legt. Jesus ist in Kalifornien nicht so easy, dass er darauf drängt, dass die Letzten die Ersten sein müssen. Umgekehrt ist Darwin in Mountain View so klug, gut zu zahlen und den Mitarbeitern viel Freiraum für Ideen zu lassen, die natürlich am Ende dem Unternehmen gehören.
    Die höchste Stufe des Egoismus bleibt den Vorständen und Investoren vorbehalten. Jobs, Brin und Zuckerberg haben eine Künstler- und Unternehmermoral angenommen und stehen irgendwie moralisch über den Dingen. Die Rechte irgendwelcher Spießer interessieren sie nicht wirklich. Auch sie hören Punk und würden dem Impresario Malcolm McLaren nie vorwerfen, den mörderischen Sid Vicious von den Sex Pistols auf die Menschheit losgelassen zu haben. 33 Sie fühlen sich als Rebellen und Piraten, die Urheberrechte (»mittelalterliche Relikte«) verletzen, denn sie schaden dem Geschäft und verstoßen gegen die urkommunistische Sharing-Kultur. Wenn es passt, dann besteht Jesus darauf, dass alles kostenlos und transparent sein muss. Manchmal ist es aber auch notwendig, dass Darwin die Härte aufbringt, das Geschäftsmodell intransparent zu halten und die Gewinne sprudeln zu lassen. Immer wenn sich die Gelegenheit bietet, die Leistung anderer ohne Entgelt auszubeuten, können die Herrn des kalifornischen Kapitalismus – es sind fast nur Männer – sehr kapitalistisch werden. 34
    Schlechtes Gewissen vorprogrammiert: Die Tugenddiktatur.
    Es ist allerdings nicht leicht, beiden gerecht zu werden, denn Darwin und Jesus stellen harte Bedingungen, sie sind Maximierer. Darwin steht für eine Rendite- und Effizienzlogik, Jesus für den Weltverbesserungsanspruch. Der Blick in die Praxis zeigt, dass die Utopie so gut wie nie erreicht wird und die allermeisten den Spagat nicht schaffen. Google und Facebook sind nur die prominentesten Beispiele. Man kann nicht aggressiver Marktführer sein und nett zu seinen Konkurrenten. Wer maximale Renditeziele formuliert, schweigt lieber über die Methoden. Darf ein Unternehmen von sozialer Verantwortung reden, das sich beinahe komplett um die Bezahlung seiner Steuern drückt?
    Vieles spricht dafür, dass die Symbiose deshalb funktioniert, weil Jesus vor allem dazu da ist, um Darwins Methoden schöner aussehen zu lassen. Puritaner spenden ihr Vermögen, um ein Zeichen ihrer Erwähltheit zu setzen und sich von den anderen abzuheben. Im Unterschied zu Kulturen mit einem stillen Mäzenatentum machen sie das äußerst publikumswirksam. »The Giving Pledge«, die Milliardärsinitiative des Microsoft-Gründers Bill Gates, ist dafür typisch. Darwin und Jesus vereinigen sich hier zu einem Gesamtkunstwerk. Wie einst beim Stahlmagnaten Andrew Carnegie, der seine Arbeiter erst ausbeutete und dann seinen Namen in der berühmten Foundation verewigte, so hat Gates erst mal seine Kunden ausgenommen und finanziert jetzt ebenfalls eine Stiftung, die Gutes tut. 35
    Der Weltverbesserungsanspruch führt also zwangsläufig in die Scheinheiligkeit oder in die Überforderung, zumeist in beides. Die Wurzel dieser moralischen Überforderung liegt bei den Puritanern und ihrer strengen Auslegung der Bergpredigt: »Liebt eure Feinde«, heißt es da, und: »Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.« Zusammenfassend lautet am Ende die Maximalforderung: »Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist« (Matt 5,48).
    Für die Calvinisten hängt die Latte ziemlich hoch, das Scheitern ist programmiert, und daher quält das ewig schlechte Gewissen.
    Der Mensch mit seiner inneren Schlechtigkeit wird

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