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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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nie ganz an die göttliche Perfektion herankommen, aber er muss es versuchen, fordert Calvin. Das ist der Ruf nach einer Tugenddiktatur. 36 Der glücksfeindliche Sinn der Überforderung liegt gerade darin, dass die moralischen Imperative unerreichbar sind und die Menschen daran scheitern, dann fühlen sich alle elend, ganz so, wie Calvin sich das wünschte. Dieselbe »permanente Unsicherheit« (Richard Sennett) begegnete uns schon bei den hart arbeitenden Berufsmenschen. So wenig sie mit ihren Anstrengungen nachlassen dürfen, so wenig dürfen es die Frommen. In der Praxis führt die Überforderung zur Heuchelei: Der Calvinist kann nicht einmal zugeben, dass er eine Frau schön findet, denn in Math 5,28 heißt es: »Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.« Also wegschauen oder den Anschein wahren. Für puritanische Länder wie die USA kann die sichere Voraussage gemacht werden, dass bei ihnen das Thema Sexismus nie aufhört, das geht schon aus tiefenpsychologischen Gründen nicht, denn je tiefer die Verklemmtheit sitzt, desto höher schlägt die Sexobsession aus. Das Land liefert besten Anschauungsunterricht, wo wir landen, wenn wir die prüde Hypermoral übernehmen: Absurde Haftstrafen für geringfügige Vergehen, die Angst von Männern, mit einer Frau allein im Lift zu fahren, Verbot der Prostitution und das Fehlen jeglicher Erotik, wie sie etwa zur französischen oder brasilianischen Kultur gehört. Die aktuelle Moralwelle lässt allerdings nichts Gutes erwarten. Dahin könnte die Reise gehen: US -Konzerne verbieten Büro-Affären und erlassen Regularien zum »sexuellen Verhalten«. So weit darf es nicht kommen, dass eine Allianz aus puritanischer Prüderie und Feminismus eine Meldepflicht für Affären und Beziehungen im Unternehmen durchsetzt. Eine Million Dollar als Schadenersatz für eine Anmache ist dort ein Geschäftsmodell.
    Der überzogene Moralismus verschont nichts. Er will Perfektion: So sollen alle Menschen gleichberechtigt gut behandelt werden, und niemand soll beleidigt werden. In Schulbüchern und Illustrationen dürfen keine Vorurteile transportiert werden. Dagegen wäre nichts zu sagen, doch wer das übertreibt, wird schnell totalitär: Frauen sollen nicht als Mütter dargestellt werden, Schwarze nicht als Untergebene, in amerikanischen TV -Serien sind die Teams optimal ethnisch und gendermäßig quotiert. Die Sprachpolizei sorgt für die Herrschaft der Tugend und die Einhaltung der Heucheleistandards. Jeder soll mit dem inneren Zensor herumlaufen und sich selbst überprüfen, ob er auch alle Richtlinien korrekt einhält. Für Moralapostel ist das die beste aller Welten, denn Verstöße finden sich immer, nie hört der Strom der Anklagen auf, die Welt ist schlecht. In Deutschland hat die »Nationale Armutskonferenz«, ein Zusammenschluss der Wohlfahrtsverbände, den Ball aufgenommen und eine »Liste der sozialen Unwörter« veröffentlicht, die »irreführende und abwertende Begriffe« enthält, »mit denen Menschen in ihrer Lebenssituation falsch beschrieben, schlimmstenfalls sogar diskriminiert werden«. Am Wort »alleinerziehend« beispielsweise stört sich die Armutskonferenz, weil es »nichts über mangelnde soziale Einbettung oder gar Erziehungsqualität« 37 aussage. Das Wort »arbeitslos« dürfe ebenfalls nicht mehr vorkommen, nun soll es »erwerbslos« heißen. So wird die Realität eine Zeit lang verkleistert, und die Menschen werden sprachlich schikaniert. Kaum ist ein neuer Begriff eingeführt, vergeht etwas Zeit, bis auch dieser als abwertend empfunden wird. Auf »Ausländer« folgte »Migrant«, auf »Migrant« der »Mensch mit Migrationshintergrund«, zuletzt war »Person mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung« vorgeschrieben, das passt der Armutskonferenz aber jetzt auch nicht mehr. Wie man sich korrekt ausdrücken soll, verrät sie uns leider nicht. Fazit: Am besten nicht darüber reden.
    Hypermoral hebt die Moral nicht, im Gegenteil.
    Der Antidiskriminierung fehlt es an der moralischen Balance, sie maximiert Moral und entmenschlicht sie dabei.
    Die Forderung von NGO s und Ökonomen, bei Stellenanzeigen auf die Angaben von Alter, Geschlecht und Herkunft sowie auf ein Foto zu verzichten und nur noch anonyme Bewerbungen zuzulassen, weil dadurch diskriminierte Minderheiten bessere Chancen auf einen Job hätten, ist so ein Fall. Die wichtigsten Eigenschaften eines Menschen: wie er aussieht, wo er herkommt,

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