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Vier Äpfel

Vier Äpfel

Titel: Vier Äpfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wagner
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weiß nicht, ob er mir das erzählt hat, damit ich ihn frage, wo ich diesen Single-Supermarkt finden kann. Träfe ich dort eine Frau, in deren Wagen die gleichen Dinge lägen wie in meinem, und hinge an ihrem Wagen eine Schleife, dann könnten wir einander ansprechen und uns sagen: Wollen wir unsere Tiefkühlpizza nicht gemeinsam essen? O ja, wie praktisch, dann müssen wir nur einen Ofen heizen. Aber ich weiß schon, am Ende stört mich, daß sie raucht, oder sie stört, daß ich rauche oder eben nicht rauche, oder mich stört, daß sie darauf besteht, Tiefkühlpizza mit Messer und Gabel zu essen, oder sie stört, daß der Fernseher noch läuft oder eben nicht läuft, oder mich stört das Programm, das sie so gerne schaut, oder sie hängt noch an ihrem Ex-Mann oder Ex-Freund oder aber findet, daß ich L. zu sehr hinterhertrauere. Es gibt ungefähr eine Million Dinge, die uns aneinander nicht gefallen könnten. Nur L. war perfekt, an ihr hat mich gar nichts gestört, aber das ist eine Lüge der Erinnerung.
    25
    Vor mir sehe ich ein Schild an zwei farblosen Nylonfäden von der Decke hängen, es bewegt sich ganz leicht hin und her, woran ich merke, daß ein Lüftungshauch durchden Supermarkt zieht. Auf dem Schild steht MÄNNER/​FRAUEN IM ANGEBOT und, kleiner geschrieben, DER IDEALE PARTNER. Darunter, in einer Ecke des Supermarkts, in der ich, so kommt es mir vor, noch nie gewesen bin, ja die mir bisher noch nicht einmal aufgefallen ist, sehe ich ein hohes Glasregal. Als ich näher komme, erkenne ich, daß es sich um ein in einzelne Fächer unterteiltes Aquarium handelt, in dem menschliche Körper schwimmen. Kleine, transparente Schläuche führen in ihre Nasenlöcher, offenbar liegen die Leiber in einer Art Gelee. Hier, so deute ich die Erläuterungen, kann ich mir einen neuen Partner aussuchen, hier schweben Zukünftige im Nährbecken und warten auf ihren Einsatz als Freund, Ehegatte oder Liebhaber. Sie stecken in enganliegender, weißer Polyamidunterwäsche, die Augen sind geschlossen, hin und wieder steigen Bläschen aus den Mundwinkeln, Männer liegen neben Frauen, jeder hat sein eigenes Fach – ich muß an die Aquarien in den Restaurants denken, in denen der Gast sich den Fisch, den er bestellt, selbst aussuchen und ihm bei seinen letzten Schwimmzügen zusehen kann. Ein weiteres Schild informiert darüber, daß die menschlichen Körper, die hier erworben werden können, ganz blank und leer und ohne Erinnerung seien, es gebe jedoch die Möglichkeit, lese ich auf einer ausliegenden, weiterführenden Produktinformation, ihnen ein gemeinsames Vorleben aufzuspielen, Urlaubserinnerungen ließen sich einbrennen, außerdem könnten rückdatierte Erinnerungsbeweise hinzuerworben werden, Photographien beispielsweise, meine Freundin und ich im Disneyland Resort Paris, in Venedig, in Las Vegas. Und Etiketten an den einzelnen Fächern des Großaquariums zu persönlichen Eigenschaften sollen bei der Auswahl helfen: mag Sport und ist hilfsbereit, interessiertsich für Kultur, kann gut kochen, spricht Fremdsprachen, hat einen schönen, dicken Penis. Plötzlich erinnere ich mich an die alte Angst, eine Person, die sich unrechtmäßigerweise als ein Elternteil, als ein, wie es in der Schule hieß, Erziehungsberechtigter ausgibt, könnte versuchen, mich in einem Kinderkaufhaus, in dem Eltern sich ihren Nachwuchs auswählen, umzutauschen. In diesem Kinderkaufhaus liegen Säuglinge eingeschweißt und weißgefroren wie Enten und Gänse in schmalen, offenen Kühltruhen; für diejenigen, die sich nicht mit einem Baby herumplagen wollen, werden Zwei- oder Vierjährige angeboten. Wenn du nicht brav bist, tauschen wir dich um, hat meine Tante, zu der ich oft zum Mittagessen geschickt wurde, manchmal gesagt, Geld kriegste für den aber keins mehr, dröhnte mein Onkel dann dazwischen.
    26
    Als ich an der Stirnseite des Kühlregals für Milchprodukte vorbeikomme, höre ich eine Stimme, die fragt, ob ich probieren will. Vor mir steht ein bärtiger Mann in weißem Kittel und reicht mir ein Probierschälchen aus Plastik, in dem ein Klecks hellbeiger Masse dampft. Der Mann hat sich hinter einem kleinen Tresen aufgebaut, auf den er einen Mikrowellenherd und weitere Plastikschälchen gestellt hat, alle sind mit der gleichen, glitschig wirkenden, breiartigen Masse gefüllt. Möchten Sie vielleicht probieren? Ich denke an den Milchreis meiner Großmutter, zu dem es immer eingeweckte Kirschen gab, die ich wie die Äpfel, Kartoffeln und Konserven aus

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