Vier auf dem Laufsteg
jeder Kampfesmut hatte sie verlassen. »Ich bin schrecklich. Mein Gesicht sieht aus, als ob ich Elefantiasis hätte.«
»Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber das kommt wahrscheinlich von deiner Heulerei.« Dann fuhr Candy in freundlicherem Ton fort: »Es ist ein toller Schnitt und die Farben betonen deine grünen Augen - also jedenfalls, wenn sie nicht so verquollen sind - und...«
Candy tätschelte Lauras Arm, Irina sah gelangweilt aus und Holly kapierte gar nichts.
»Also ich weiß immer noch nicht, worüber du dich so aufregst«, verkündete sie. Wahrscheinlich war sie damit beschäftigt gewesen, sich Candys Klamotten eingehend anzuschauen. »Du warst also beim Friseur und der hat...«
»Scheißhaare gämacht«, wurde Holly von Irina unterbrochen, die aufstand und sich streckte, wobei ihre Weste hochrutschte, sodass Laura von ihr nur noch straffe Bauchhaut sah. »Langweilig«, fuhr sie fort und ging zu Candys Schminktisch. »Klar, Haare sähen scheiße aus. Find dich ab damit.«
Wie bitte?
Diese Unverschämtheit verschlug Laura die Sprache.
Irina hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden nichts anderes gemacht, als bösartige, einsilbige Klugscheißersprüche abzulassen, und das noch in einem Akzent, der wahrscheinlich total gespielt war. Vermutlich stammte sie in Wirklichkeit aus einem Londoner Vorort. Candy war ebenfalls sprachlos, aber wahrscheinlich nur, weil ihr endlich mal eine begegnet war, die noch unhöflicher war als sie.
»Wann trinken wir denn endlich den Champagner?«, zwitscherte Holly, die die übelkeiterregende Spannung im Zimmer gar nicht mitbekommen hatte.
Laura fühlte ein hässliches Pochen an den Schläfen, das wahrscheinlich zu einer Monstermigräne werden würde.
»Was meint sie denn damit?«
»Ich hab ein paar Flaschen Champagner gekauft - ein schwacher Versuch einer Einzugsparty«, erklärte Candy unbekümmert. »Deshalb hab ich dich ja aus dem Bad rausgelockt, weil wir jetzt ziemlich heftig feiern müssen.«
»Na super«, murrte Laura undankbar, aber die Umstände erlaubten keine größere Begeisterung. »Mir ist nicht nach feiern. Das Einzige, was ich will, ist eine Mütze, unter der meine Haare wieder wachsen können.«
Candy sah ziemlich sauer aus, und Laura fragte sich genervt, ob sie jetzt wieder einen größeren Wutausbruch starten würde, wie sie es bei »Familie Careless« immer machte, wenn sie nicht ihren Willen kriegte. Aber Candys Unmut galt Irina, die sich die vielen Flakons und Töpfchen auf dem Schminktisch ansah.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, erkundigte sie sich frostig. Irina drehte sich blitzschnell um und warf ihr etwas zu, das Candy mit einer Hand auffing. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre Laura beeindruckt gewesen.
»Haarspülung. Das braucht aber mehr als’ne Haarspülung.« Sie stand auf und zeigte auf Holly, die vor dem Spiegel herumwirbelte. »Bring mal deinen Angeber-Föhn, Holly.«
Die bewunderte gerade, wie der hochfliegende Rock ihre gebräunten Oberschenkel freilegte. »Hä?«
»Föhn. Großes schwarzes Ding mit Düse. Geh! Hol ihn!« Candy drehte sich zu Laura um. »Du setzt dich auf den Stuhl und rührst dich nicht von der Stelle. Und du, Höhlenfrau, holst den Champagner aus dem Kühlschrank.«
»Ich nicht värstehn«, grunzte Irina und warf Candy einen säuerlichen Blick zu, aber dann ging sie. Vielleicht hieß Champagner dort, wo sie herkam, ebenfalls Champagner.
»Was hast du vor?«, fragte Laura ängstlich. »Ich glaube, meine Haare haben für heute schon genug gelitten.«
Candy schnappte sich eine riesige Rundbürste und drehte sie zwischen ihren Fingern.
»Schätzchen, ich hab meine komplette Kindheit damit verbracht, hinter meiner Mutter durch die New Yorker Fashion Week und alle Designerateliers zu zockeln. Sie ist supergut mit Kate Moss befreundet. Ich hab’ne gewisse Ahnung von Generalüberholungen. Vertrau mir.«
Laura vertraute ihr ganz und gar nicht, aber sie saß still, während Candy ihre Haare föhnte und bearbeitete und schließlich wieder in irgendeine Art von Form brachte, und alle drei glotzten sie an, als wäre sie ein Seehund im Zirkus.
»Na bitte«, sagte Candy schließlich und steckte zwei Glitzerspangen in Lauras Pony. »Jetzt ist es eine Frisur und kein Mopp.«
Laura betrachtete sich blinzelnd im Spiegel. Es sah nicht sehr anders aus als vorher, doch Candy hatte ihre Haare glatter, gerader und damit - das war am wichtigsten - länger frisiert, sodass es jetzt eher ein kinnlanger Pagenschnitt
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