Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vier auf dem Laufsteg

Titel: Vier auf dem Laufsteg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarra Manning
Vom Netzwerk:
du Cardio-Workout machst, und im Friseursalon fragst du nach Giuseppe. Er soll mich anrufen, bevor er die Schere auch nur anfasst.« Heidi drückte bereits ihre harten Fingerknöchel in Lauras Rücken und schob sie in Richtung Tür. »Ich seh dich dann hier nächste Woche Freitag drei Kilo leichter. Okay?«, zwitscherte sie, und bevor Laura auch nur Tschüss sagen konnte, stopfte sie sich wieder den Kopfhörer ins Ohr und plapperte irgendwas auf Deutsch.
    Angeberin.
     
    Als die zwei Stylisten ihre nassen Haarsträhnen hochhoben, sah Laura neugierig in den Spiegel. Giuseppe hatte ein Ziegenbärtchen und konnte anscheinend Englisch weder sprechen noch verstehen, aber er redete nonstop mit Heidi und zückte eine bösartig aussehende Schere.
    »Ich will sie aber nicht ganz kurz«, jaulte Laura. »Vielleicht schulterlang?«
    »Du bekommst dunkelblonde Highlights, damit deine Haare mehr Struktur kriegen«, verkündete schließlich eine der beiden Assistentinnen, sie übersetzte wohl Giuseppes Schnellfeuer-Italienisch. »Und wir würden dir gern einen Sixties-Schnitt machen, so wie Edie Sedgwick ihn trug, und Heidi hat gesagt, dass du noch abnehmen wirst...« Sie brach ab, weil sie es wohl taktvoller fand, den Satz nicht zu beenden.
    »So ist es geplant.« Laura probierte ein optimistisches Lächeln und wartete darauf, dass das Mädchen lauthals beteuerte, dass sie nicht ein einziges Gramm verlieren müsste.
    »Meine Mutter hat mit der Atkins-Diät fast fünf Kilo abgenommen. Kohlenhydrate sind fürchterlich«, sagte das Mädchen voller Leidenschaft.
    Genauso gut hätte sie Laura ein fettes Monster nennen können.
    Kein Wunder, dass ihre seit Neuestem molligen Wangen ampelrot glühten, als Giuseppe zu schnippeln anfing. Lange Haarsträhnen schwebten auf die Erde und wurden sofort aufgefegt, als dürfe etwas so Unschönes nicht den Salon beschmutzen.
    Giuseppe hatte Lauras Stuhl umgedreht, damit sie das Entsetzliche, was mit ihr geschah, nicht im Spiegel verfolgen konnte. Deshalb blätterte sie in alten Ausgaben von Vogue und ELLE und beäugte Models mit Gliedmaßen wie Pfeifenreiniger und Wangenknochen, auf denen man Käse schneiden konnte.
    Danach musste Laura noch eine Ewigkeit mit Alufolienstreifen auf dem Kopf dasitzen, erstickte fast an Haarfärbedünsten, die angeblich ökologisch waren, aber so rochen, als würde etwas seit Wochen schimmeln. Als Giuseppe dann seine zwei Lakaien beaufsichtigte, während sie Föne wie Schweißbrenner handhabten, befand sich Laura im Zustand panischer Angst. Sie konnte nichts sehen, aber sie konnte fühlen, und als sie ihre Haare betastete, schien davon nicht mehr viel übrig zu sein.
    »Autsch!«, quiekte Laura, als Giuseppe ihre Hand wegschlug.
    »Kein Gefummel«, zischte er, und es hörte sich verdächtig nach ganz normalem Englisch an. »Deine Haare gehören jetzt miiiir.«
    Dann wurde noch viel gekämmt und gezupft und schließlich wurde ihr Stuhl zum Spiegel herumgedreht. Laura hatte die Augen zugekniffen und ihr Zitronentee drohte im Magen mit dem Rückwärtsgang.
    Langsam hob sie ihr rechtes Augenlid, dann das linke.
    Ihre Haare!
    Ihre Haare waren weg.
    Total weg - stattdessen hatte sie eine glatte Kappe, die in Gold, Haselnussbraun und Silber und allen Farben dazwischen glänzte, mit einem dichten Pony mehrere Kilometer über ihren Augenbrauen. Es war ein hinreißender, aufregender Schnitt, und ihre Haare sahen aus, als hätte sie sich die Frisur mal für einen Tag geborgt. Darunter sah ihr Gesicht mit seinen Hamsterbacken wie ein Wasserball aus.
    Laura holte tief Luft und brach in Tränen aus.

3
    S ie wurde so rasch durch die Tür geschoben, dass ihre Füße kaum den Boden berührten. Schluchzende Teenager mit Hamsterbacken waren nicht gut fürs Geschäft. Immer noch weinend, bestieg Laura den Bus zurück nach Camden, sehr zum Schrecken der Frau vor ihr, die sich mehrere Reihen weiter nach hinten setzte.
    Wenigstens hatte sie jetzt keine Angst mehr vor ihren Mitbewohnerinnen. Sie überlegte nicht mal, ob sie da waren oder nicht, sondern schmetterte die Tür so heftig ins Schloss, dass die ganze Wohnung erzitterte, stürzte ins Bad und zerrte Holly mit aller Kraft aus dem Badezimmer, weg vom Spiegel und in die Diele, damit sie sich einschließen und als tränenüberströmtes Häufchen Elend auf den Boden sinken konnte.
    »Sie ist verrückt!«, kreischte Holly. »Also ich hab den Vertrag mit der Agentur nur unter der Bedingung unterschrieben, dass ich die Wohnung nicht mit

Weitere Kostenlose Bücher