Vier auf dem Laufsteg
aufreißen -, und Laura konnte nicht mehr an Liebeskummer denken, sondern nur noch an den magischen Augenblick, wenn sie die Worte »Ist im Kasten« hören würde, damit sie sich die Augen rausreißen und in kaltes Wasser tauchen konnte.
»Ich brauch ein bisschen mehr Ausdruck, Schätzchen! Ich seh zwar Qual, aber keine innere Qual«, rief der Fotograf, als Laura schnell blinzelte. »Ich weiß, es tut weh, aber ich brauch etwas Besonderes.«
»Oh, hey, ich hab dieses fantastische Lied über eine Sweet-Sixteen-Party«, zwitscherte Kat. Ihre Fröhlichkeit ließ nie nach. »Momentchen! Das bringt dich genau in die richtige Stimmung.«
Den ganzen Tag lang hatte Laura sich schon diese fröhlichen Sechzigerjahre-Sisters anhören müssen, die sich in Rettungsschwimmer verknallten oder in intellektuelle Knaben. Daher war sie nicht sehr überzeugt, dass ein Song über eine Sweet-Sixteen-Party bei ihr mehr als Kopfschmerzen auslösen würde.
Kat fummelte am CD-Player herum, deshalb rückte Laura ihr Diadem zurecht, das vom Kopf zu rutschen drohte, und seufzte innerlich, als das Lied mit einem Happy-Birthday-Auftakt loslegte.
Sie ließ immer noch auf Autopilot das Zusammenkneifen-Blinzeln-Aufreißen-Programm ablaufen, als die Sängerin einsetzte. Sie sang davon, dass alle ihre Freunde gekommen waren außer dem einen Menschen, den sie sich am allermeisten herwünschte.
»I may look stupid to everyone
But in my heart I knew you’d never come...«
Ja, damit kann ich was anfangen, dachte Laura, als sie ihre Augen kurz ausruhen ließ und sich auf den Text konzentrierte.
»I open presents and I try to smile
But my heart is breaking all the while.
We had a quarrel just the night before
And now you’re not my baby anymore.
Oh, what’s so sweet about sweet sixteen?
What’s so sweet about sweet sixteen?
I can do without it,
What’s so sweet about it,
When I can’t share it with you?«
Sie hatte den schmerzenden Tränenstift völlig vergessen, genauso wie das unablässige Klicken des Fotografen, während sie dastand und ein Tränenmeer über ihr Gesicht strömte und ihre Lippen vor mühsam unterdrückter Traurigkeit zitterten. Sie konnte mit dem Text nicht nur etwas anfangen, sie durchlebte jede einzelne leidvolle Silbe.
»Das ist toll! Achte auf deine Unterlippe und lass die Nasenflügel etwas beben! Gib mir ein bisschen Bewegung, tu was!«
Laura musste nicht mal darüber nachdenken, sie glitt hinüber zu dem Stapel bunt eingewickelter Geschenke, fing an, das fröhlich-bunte Einwickelpapier abzureißen, und warf die Fetzen in die Luft. Nicht auf eine ästhetische, fotogene Art. Eher auf wilde, düstere Weise - wäre es nicht toll, wenn dieses Einwickelpapier Toms Innereien wären, die sie mit ihren glitzernden Arschtrittschuhen in den Boden stampfen könnte? Zur Bekräftigung kickte Laura den Rest des Geschenkehaufens in alle vier Ecken des Ateliers, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah die Geschenke wie Geschosse irgendwo landen.
»Laura! Hierher!«
Sie drehte sich um und warf der Kamera einen Blick zu, der vor Zorn nur so schäumte, als ihr einfiel, dass sie ja vielleicht mehr Verletztheit zeigen sollte, aber Kat klatschte in die Hände und stieß ein Stöhnen aus, das verstörend nach einem Orgasmus klang. »Du lieber Gott - ja, das ist es! Gestorben!«
Vielleicht bedeutete »gestorben« in der Shooting-Fachsprache das genaue Gegenteil dessen, was alle am Set wollten, aber dann legte der Fotograf seine Super-Hightech-Kamera ab, schoss auf Laura zu und gab ihr einen Schmatz auf die Stirn.
»Ist im Kasten!«, brüllte er und schob Laura zu der kleinen Zuschauergruppe hin. »Einen Riesenbeifall für dieses Supermädchen, sie hat’s verdient!«
Das Shooting für Vogue war eine gesetztere Angelegenheit mit wahnsinnig teuren Kleidern. Haute Couture bedeutete lässiges Posieren mit krummen Schultern und unvorteilhaft verwinkelten Beinen, während man sehnsüchtig in die Kamera schmachtete.
Es war anstrengend.
Laura hatte den Models nie geglaubt, wenn sie in Interviews jammerten, wie schwer sie arbeiten müssten. Aber nachdem sie eine halbe Stunde lang die Arme über den Kopf gehoben hatte - wo sie eigentlich gar nicht hingehörten -, war sie total k.o. und sehnte sich nur noch nach einem langen Bad und ihrem warmen Bett.
Obwohl Laura die Polka-Dot -Fotos am liebsten mochte, war es das Foto für Vogue , das die Modewelt veranlasste, ihre Chloé-Brille hochzuschieben, sich gerade
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