Vier auf dem Laufsteg
hinzusetzen und von ihr Notiz zu nehmen.
Zuerst regte sich ein lindes Lüftchen. Ihr erstes Ausland-Shooting auf Ibiza für einen Artikel über Hautpflegeprodukte. Dann ihre erste Aufnahme für ELLE . Die erste ernst zu nehmende Buchung für einen Job, ohne vorher zu einem Vorstelltermin zu gehen. Und dann erhob sich ein Wirbelwind. Laura war jetzt nicht mehr eines der Neuen Gesichter , sondern ihr Foto hing nun bei denen der Supermodels, und alle Welt kannte sie beim Vornamen.
Die Wohnung wurde zu einer vagen Erinnerung, einem Ort, zu dem sie gerade lange genug zurückkehrte, um eine Waschmaschine anzustellen, wo ihr aber nicht genügend Zeit blieb, die Wäsche wieder rauszuholen, weil draußen ungeduldig die Hupe eines Autos ertönte, das sie in Windeseile wegbrachte. Schließlich ging sie dazu über, sich am Ankunftsort einfach neue Klamotten zu kaufen. Grob geschätzt besaß sie augenblicklich elf Long-And-Lean-Jeans von Gap.
Ihre Gedanken drehten sich nur noch um das Finden ihres Reisepasses, für was anderes blieb keine Zeit. Ihr Leben war eine ständige Abfolge von Flughäfen, Hotelzimmern, Fotostudios, Designerateliers und Nobelrestaurants. Sie konnte mittlerweile die Anweisungen der Fotografen auf Französisch, Spanisch, Deutsch, Italienisch und Portugiesisch befolgen. Ab dem Tag, als sie für ihre erste Modestrecke in Vogue Italia gebucht wurde, lehnte Ted alle anderen Anfragen ab, wenn sie nicht hochkarätig genug waren. Fierce gab ihr ein eigenes BlackBerry, ein sicheres Zeichen ihres Erfolges. Oder vielleicht war das auch die Titelstory im Sunday Times Magazine mit der Botschaft quer über der Seite:
»VERABSCHIEDET EUCH VON DEN AUSGEMERGELTEN KINDFRAUEN UND BEGRÜSST DIE SEXBOMBE!
Lernen Sie die siebzehnjährige Laura aus Manchester kennen, die der Modewelt den Sexappeal zurückgebracht hat.«
Und da war sie: acht Seiten lang in einem Haute-Couture-Modell nach dem anderen, die Haare in einem komplizierten Arrangement von Korkenzieherlocken hochgesteckt, wie sie den Hollywoodstars der Fünfziger huldigte.
Ihre Mutter hatte jede Ausgabe gekauft, die sie kriegen konnte, und auch den entferntesten Verwandten und Bekannten geschickt. Cath und Jen besuchten sie am Wochenende und nannten sie nur noch »Miss Sexbombe«, wenn sie nicht gerade Candy anbaggerten, ihnen Backstage-Pässe für das Franz-Ferdinand-Konzert zu besorgen.
Aber Laura hatte auch eine Truppe von neuen Freunden, obwohl sie weder deren Nachnamen noch Adressen kannte. Sie kommunizierten via BlackBerrys und Mails auf den MySpace-Seiten, damit sie ihre Terminpläne aufeinander abstimmen und sich zum Frühstück in Bangkok oder zu Drinks in Dubai treffen konnten. Lauras neue Freundinnen waren Paula aus São Paulo, Danielle aus Arkansas, Darla aus Madrid. Alle litten wie sie an Heimweh und sprachen eine gemeinsame Sprache: Wie man am besten in die erste Klasse upgegraded wurde, welche Fotografen schwul waren und welche einem nach dem Shooting unbedingt im Hotelzimmer die Kontaktabzüge zeigen wollten und wie die McDonald’s-Burger in Moskau schmeckten verglichen mit denen in Tokio.
Erst im Frühling hatte sie endlich ein paar Tage frei, nach einer triumphalen Herbst/Winter-Saison in Paris, Mailand, New York und London, wo jedes größere Modehaus betonte Taillen und körpernahe Silhouetten zeigte.
Danke schön, Candy, du hattest recht.
Drei Tage Wäsche waschen und vielleicht ihr Konto räubern - was in den letzten paar Monaten förmlich explodiert war -, das hörte sich wunderbar an. Candy war zu einer Werbekampagne in L.A., was beschissen war, aber sie würden sich später in Mailand treffen. Irina war noch seltener zu Hause als Laura, also blieb nur Holly - die sich mit einem dankbaren Schrei auf sie stürzte.
»Ich war ja so einsam!«, rief sie aus, als sie Laura auf der Couch lümmeln und »Laguna Beach« auf MTV schauen sah. »Du hast ja gar keine Ahnung! George ist stinksauer auf mich. Und ich soll einen total bescheuerten Werbespot für australisches Toilettenpapier machen. Komm, wie ziehen los und betrinken uns.«
»Holly, ich bin k.o.«, jammerte Laura, aber sie wurde bereits an den Füßen vom Sofa gezerrt.
Ausgehen mit Holly war eine bittere Lektion über die Vorteile der Nüchternheit. Laura blieb bei Mineralwasser, damit sie auf Hollys Handtasche aufpassen und eingreifen konnte, wenn sie mit den Männern anderer Frauen erotische Tänze aufs Parkett legte, und um ihr von Tischen herunterzuhelfen, bevor sie
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