Vier auf dem Laufsteg
Ted beorderte sie zu Fierce , obwohl sie den Tag freihatte. Daran war nichts Ungewöhnliches, aber sie konnte sich noch gut an die Zeit erinnern, als die offiziellen Vorladungen nichts Gutes bedeutet hatten.
Als sie an die geöffnete Tür seines Büros klopfte, blickte Ted nicht auf. Er winkte sie herein und quasselte weiter auf Italienisch in sein Headset. Ihr blieb kaum Zeit, sich in einen seiner Designersessel zu setzen, als er den Anruf auch schon beendete und sofort zur Sache kam.
» Sparkle möchte deinen Vertrag erneuern, inklusive TV- und Print-Kampagnen, aber sie wollen dich mit einem Exklusiv-Dreijahresvertrag knebeln, was absolut nicht akzeptabel ist...« Er runzelte die Stirn.
Laura fand, es hörte sich äußerst akzeptabel an.
»Aber das ist doch gut, oder?«
»Ach, Schätzchen. Ich hab vergessen, wie grün du noch hinter den Ohren bist.« Ted lachte leise in sich hinein und drohte ihr spielerisch mit dem Zeigefinger. »Es ist gut, aber wir können etwas viel Besseres bekommen. Ich hab tolle Neuigkeiten - gut, dass du schon sitzt.« Er machte eine dramatische Pause. »Der Augustine- Chef möchte dich als deren neues Gesicht haben.«
Das also steckte hinter Irinas schlecht verhohlener Drohung, Laura bei erster Gelegenheit das Gesicht zu zerkratzen. Laura konnte nicht anders - sie musste lächeln, was Ted als aufrichtige Freude missdeutete.
»Das sollte eigentlich mit dem Sparkle -Vertrag keinen Konflikt geben, ich meine, die sind eine Hausmarke, während Augustine Spitzenklasse ist.«
»Ted, kannst du mir das bitte mal übersetzen?«
»Wenn Kate Moss gleichzeitig für Rimmel und Chanel arbeiten kann, dann gibt es keinen Grund, weshalb du nicht Anzeigen in den Teenie-Zeitschriften und in den Hochglanzmagazinen machen kannst, Schätzchen. Augustine lanciert sein erstes Parfüm, ›Sirene‹, und wenn du nicht der Star dieser Kampagne wirst, dann läuft in dieser Welt etwas total verkehrt. Außerdem reden wir hier über unanständige Geldsummen.«
Über Geld zu reden war ordinär, das wusste sogar Laura. Aber sie konnte nicht anders, sondern musste gierig flüsternd fragen: »Wie unanständig? Porno oder nur Kloschmiererei?«
»Oh, ganz entschieden Porno, Schätzchen«, sagte Ted strahlend. »Du könntest dich mit einundzwanzig zur Ruhe setzen und hättest immer noch genug für eine Jacht übrig.«
»Na ja, Heidi hat neulich gesagt, ich sollte mal überlegen, ob ich was in Immobilien investiere.« Laura konnte nicht anders und stieß vor Freude die geballte Faust in die Luft. »Und ich könnte mir jeden Tag neue Schuhe kaufen und meinem Vater ein neues Auto und meine Mutter wollte schon immer mal eine Kreuzfahrt machen und...«
»Lass uns das Fell des Bären erst verkaufen, wenn wir ihn erlegt haben; wir müssen zunächst abwarten, Schatz.« Ted legte die Fingerspitzen aneinander und versetzte ihr das, was er für einen vernichtenden Schlag hielt. »Sie ziehen auch noch ein anderes Mädchen in Erwägung.«
»Irina? Ja, ich weiß. Sie hat gestern Abend so was erwähnt.« Ganz egal wie bösartig Irina war, Laura kannte die oberste Modelregel, niemals schlecht über ein anderes Mädchen zu reden. Selbst wenn die andere eine böse Hexe war und es total verdient hatte.
»Da ihr beide bei Fierce seid und ich mit euch beiden eng zusammenarbeite, kann ich natürlich offiziell keine Stellung beziehen«, sagte Ted langsam. »Offiziell...«
»Aha. Ich verstehe.« Aber Laura verstand überhaupt nichts. Sie hatte sich buchstäblich den Arsch abgearbeitet und sich trotzdem eine heitere Gelassenheit zugelegt, die sie nie bei sich vermutet hätte. Das musste doch zu etwas gut sein.
Ted lächelte. »Oh nein, du verstehst gar nichts. Hör mal, geh zu Heidi, sie soll dir einen Frappuccino ausgeben.«
Heidi war nicht mehr Lauras Agentin. Ironischerweise hatte sich ihre Beziehung dadurch noch mal schlagartig verbessert. Seitdem hatten sie überhaupt erst eine Beziehung, was ziemlich erstaunlich war. Als Laura in Buenos Aires gewesen war, hatte Heidi ihr sogar per Expressdienst ihren Lieblingstee geschickt.
Als Laura Teds Büro verließ, wartete sie schon und sah aus, als würde sie sich gleich in die Hose machen.
»Hast du den Vortrag über offiziell und inoffiziell zu hören bekommen?«, fragte sie.
Laura nickte unglücklich. »Ja, und über...«
»Hier können wir nicht reden«, flüsterte Heidi und sah sich um, als hätte jemand die Fierce -Büroräume mit Wanzen gepflastert. »Komm, wir gehen, ich
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