Vier auf dem Laufsteg
brauch dringend Koffein.«
Heidis Geheimagentinnen-Getue bedeutete, dass sie nicht in das Café nebenan gehen konnten, sondern zwei Ecken weiter laufen mussten, wobei Heidi ständig über ihre Schulter spähte.
Endlich saßen sie auf einem Sofa.
»Das ist jetzt ganz inoffiziell, aber Ted hat aus verlässlicher Quelle, dass diese ›Sirene‹-Kampagne ganz viel Vierzigerjahre-Hollywood-Sexappeal haben soll«, erklärte sie. »Du musst dich da also gründlich reinarbeiten.«
»Ich soll nach Hollywood?«
»Schön wär’s«, bellte Heidi. Da Laura sie nicht mehr hasste, wusste sie jetzt, dass Heidis Bellen ungefähr hundertmal schlimmer war als ihr Biss. »Nachdem wir endlich deine Wangenknochen gefunden haben, sind Ted und ich uns einig, dass du Ava Gardner ziemlich ähnlich siehst.«
»Wer ist das? Ich hab noch nie von ihr gehört.«
»Na ja, sie hat auch nie einen Gastauftritt in ›O. C.‹ gehabt, weil sie leider schon ein bisschen tot ist.« Heidi zog etwas aus ihrer Miu-Miu-Umhängetasche und knallte es auf den Tisch. »Das musst du dir ansehn.«
Laura hob das Buch hoch und betrachtete eingehend die Frau auf dem Titel. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen, sodass sich ihre glänzende Haarmähne in Wellen über ihren Rücken ergoss, während sie sich mit verführerischem Lächeln dem Fotografen zuwandte. Sie war auf eine Art schön, wie man sie nur aus alten Schwarz-Weiß-Filmen kannte.
»Ich seh aus wie sie?«, fragte Laura skeptisch und hielt das Buch zum Vergleich neben ihr Gesicht. »Echt? Ich finde das nicht.«
»So ähnlich wie nur möglich.« Heidi neigte den Kopf zur Seite, damit sie Laura und ihre Hollywood-Doppelgängerin richtig betrachten konnte. »Es ist dieser besondere Blick, wenn du nicht richtig lächelst, sondern erst überlegst, ob du’s tun willst. Meine Güte, die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Wenn wir zu mir gehen, kannst du dir ein paar DVDs von ihr ansehen.«
»Zu dir gehen?«, echote Laura ungläubig. »Arbeitest du heute Nachmittag nicht?«
Heidi rutschte unbehaglich auf dem Sofa rum. »Ted und ich finden es besser, wenn du eine Zeit lang nicht in der Wohnung wohnst.« Sie senkte die Stimme. »Für den Fall, dass Irina sich was ausdenkt.«
»Dass sie mich mit einer Machete attackiert oder einer abgesägten Schrotflinte oder sonst irgendwie mit dem Tod bedroht?«, fragte Laura ironisch. »Warum tut ihr das, Ted und du? Fierce kriegt garantiert den Vertrag, egal welche von uns es schließlich wird. Und ich komm doch bloß in die engere Wahl, weil Karis den Unfall hatte. Sonst wär ich gar nicht im Rennen.«
»Momentan hast du eine kleine, aber reelle Chance, den Job zu landen, und wir in der Agentur halten Irina noch nicht für geeignet für einen großen Vertrag. Schlechtes Timing.«
»Weil sie keine kleine Chance hat, sondern eine verdammt riesengroße?« Laura musste ein bisschen rumschmollen. »Das ist nicht fair!«
»Das hat nichts mit kleinen oder großen Chancen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass sie völlig außer Kontrolle geraten ist. Das Letzte, was wir brauchen, ist Irina als das ›Sirene‹-Gesicht. Sie muss lernen, dass man auch mal zurückstecken muss. Und wenn du auch nur ein Wort hierüber bei irgendjemandem fallen lässt, Ted eingeschlossen, dann schwör ich dir, dass ich dich eigenhändig umbringe.«
»Aber vielleicht kriegt sie den Vertrag«, widersprach Laura und wünschte, sie hätte heute Morgen nicht gefrühstückt, denn der Brei lag wie Blei in ihrem neuerdings kleinen Magen. »Vielleicht krieg ich ihn nicht. Vielleicht mögen sie mich nicht. Vielleicht seh ich in den Kleidern beschissen aus. Oder ich hab morgen ein Pickelgesicht. Du kannst mir das nicht alles aufhalsen.«
»Sei nicht so schisserig«, fauchte Heidi und rammte Laura ihren Ellbogen zwischen die Rippen. »Sei einfach alles, was Irina nicht ist.«
»Was? Freundlich, zum Beispiel?«
»Und konzentrier dich auf das Ziel. Denk wie Ava Gardner, sei sexy, ohne nuttig zu sein, und wenn du bei mir wohnst, bild dir bloß nicht ein, dass du dir meine Klamotten ausleihen kannst.« Heid zog energisch den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. »Du schaffst das, Laura.«
22
N achdem Laura wiederholt »Die barfüßige Gräfin«, »Schnee auf dem Kilimandscharo«, »Ein neuer Tag« und »Am Strand« angeschaut hatte, verfolgte Ava sexy Gardner sie Tag und Nacht. Am Abend vor den Testaufnahmen für »Sirene« flüsterte Miss Gardner in ihrem Traum heiser: »Manchmal benimmt sich das
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