Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
kenn mich mit euren Größen nicht aus.« Maik grinste. »Aber ich dachte, lieber zu eng als zu weit. Wenn ich sie zwei Nummern zu groß gebracht hätte, hättet ihr mich gesteinigt und gekeift: Hältst du uns für fett? «
»Idiot!«
»Sieht doch gut aus«, sagte ich, bevor die beiden sich noch an die Gurgel gingen.
»Ja, typisch.« Selina blitzte mich an.
Lena hob die Braue.
»Beide«, sagte ich schnell. »Ihr seht beide gut aus.«
Und dann stürmten wir ins Meer, weil man am Meer einfach nicht anders kann. Wir tauchten nach den zerbrechlichen Schalen toter Seeigel und versuchten, bunte Fische zu erspähen, was ohne Schnorchel und Taucherbrille so gut wie vergeblich war. Wir erhaschten höchstens einen Schatten. Ich tauchte Lena unter, dann Selina, und auch Maik warf sich auf die Mädchen. Wir schluckten Salzwasser und prusteten es wieder aus. Wir tollten herum, und doch vergaß ich keinen Moment, dass wir an Christophs Ziel angekommen waren.
Selina packte meine Handgelenke, um mich nach unten zu ziehen, ihre Finger bohrten sich schmerzhaft in meine Haut, aber ich verzog das Gesicht nicht. Ihre feuchten Lippen bebten vor Anstrengung, das nasse Haar klebte ihr am Kopf, der Bikini spannte über den Brüsten, die gerade noch aus dem Wasser ragten. Sie war so schön, dass es mir einen Stich versetzte.
»Ich krieg dich noch …«, keuchte sie.
»Meinst du?«
Lena sprang mir auf den Rücken, die Hände auf den Schultern, die Arme durchgedrückt, alles Gewicht lastete auf mir, doch das war nicht viel. Sie konnte mich nicht untertauchen.
»Runter mit ihm!«, knurrte sie zu Selina.
»Ich versuch’s ja.«
»Mädchen.« Maik lachte und rammte mich mit Wucht von der Seite.
Kreischend und lachend ließen die Mädchen los, fluchend versank ich und ließ mich bis zum Grund sinken, tauchte weiter hinaus, weiter und weiter mit kräftigen Stößen. Christoph hätte hier sein sollen, ihn hätte Selina packen sollen. Ich tauchte durch eine kühle Strömung, tauchte, bis mir die Brust eng wurde, und dann noch zwei Züge weiter. Ich krallte mich in den Sand, die Schläfen pochten, und dann stieß ich mich ab und durchbrach die Oberfläche mit einem Schrei. Ich war so weit draußen, dass ich nicht mehr stehen konnte. Christophs Festung war ich dennoch kaum näher gekommen.
Zurück an Land cremten wir uns gegenseitig ein, legten uns in die Sonne und dösten bis zum Abend. Wir aßen, tranken und warteten auf die Dunkelheit.
Noch bevor die Dämmerung einsetzte, fingen wir an, ein Boot zu suchen. Vergeblich liefen wir die Küste ab, alle Boote wurden eingebracht, angekettet oder hinter den stachelbewehrten Toren eines Verleihs verschlossen. Wir versuchten unser Glück in den nächstgelegenen Straßen, und als die Sonne verschwunden war, entdeckten wir hinter einer Hecke ein großes Schlauchboot auf dem Rasen eines Ferienhauses. Daneben lagen zwei Plastikeimer, die Ruder und ein Ball. Auf Kinder war eben Verlass, irgendwer vergaß immer das Aufräumen oder war zu faul, das Boot am nächsten Tag neu aufzupumpen.
Maik und ich huschten auf das dunkle Grundstück, während Lena die erleuchtete Terrassentür im Blick behielt und Selina die Straße. Leise hoben wir das Boot über die Hecke, wo es die Mädchen entgegennahmen. Dann holten wir noch rasch die Ruder und trugen gemeinsam alles an den Strand. Die letzte Etappe hatte begonnen.
Die Strömung schien immer gegen uns zu arbeiten. Mit schmerzenden Armen paddelten Maik und ich durch die Nacht, die Insel mit dem Leuchtturm hatten wir längst hinter uns gelassen. Nun lag nur noch Schwärze vor uns. Der Mond war nicht hell genug, immer wieder verloren wir die Festung aus den Augen.
»Warum können sie das Ding nicht anstrahlen wie alle ordentlichen Sehenswürdigkeiten?«, presste Maik zwischen den Zähnen hervor. Er saß hinten und paddelte rechts, während ich ganz vorne kniete und das Ruder links ins Meer tauchte. Wir hatten vor einer Weile unseren Rhythmus gefunden, drohten ihn aber wieder zu verlieren, weil die Muskeln schmerzten und zuckten.
»Soll ich mal?«, fragte Lena.
»Nein«, keuchten Maik und ich gleichzeitig.
»Nach links«, kommandierte Selina, die die Augen zusammenkniff und am besten von uns sah, wenn auch nur einen Schemen. »Ein Stück nach links.«
»Maik paddelt einfach zu schwach«, knurrte ich.
»Ach ja?« Er legte richtig los, schaufelte Wasser laut platschend hinter uns, das Boot schlenkerte, und wir verloren völlig unsere Richtung.
»Jungs!«,
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