Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
den Boden rammen. Und diesmal hatte er es auf Juan Tabasco abgesehen. Allerdings war er noch nicht so weit, dass er unserer »Stimme Mexicos« etwas antun würde. Erst einmal kamen subtilere Waffen zum Einsatz.
Die erste Maßnahme bestand aus dem Einwickelpapier eines tschechischen »Stinkekäses«, den Frankie extra aus Prag mitgebracht hatte. Dieses klebrige Papier mit dem Geruch einer Herde nasser Füchse führte er zwischen den Saiten hindurch in das Schallloch der Gitarre ein und klebte es an die Innenseite des Klangkörpers. Schnell roch es in der kleinen Garderobe hinter der Bühne, als wären die oben genannten nassen Füchse vor ein paar Wochen an Brechdurchfall verreckt und dann – im Zustand beginnender Verwesung – in den Bottich der Käserei gefallen. Wir alle litten sehr und hielten uns die cowboytypischen Halstücher vor die Nase, um nicht zu ersticken. Dann kam Juan Tabasco.
Juan Tabasco grüßte uns fröhlich, sagte irgendetwas im Scherz über das Wetter, lachte selbst freundlich darüber, um klarzumachen, dass es wirklich nur ein Scherz gewesen war, schnappte sich seine Gitarre und ging beschwingt auf die Bühne.
Mit Tränen in den Augen blickten wir durch die leicht grünlichen Nebelschwaden, die den Weg des Gestanks nachzeichneten, und warteten auf ein erlösendes »Bonk«, was uns signalisieren würde, dass Juan Tabasco auf der Bühne aufgrund akuter Atemnot in eine tiefe Ohnmacht gefallen war. Doch das »WuiWui« ertönte einmal … es ertönte ein zweites Mal … und es ertönte ganz genau so wie immer, den ganzen elenden Song hindurch und am Ende doppelt, weil da der Refrain wiederholt wurde.
Applaus ertönte, und Juan Tabasco kam wieder hinter die Bühne, hängte seine Gitarre einen Meter von uns entfernt an den dafür vorgesehenen Haken, nickte uns noch einmal freundlich zu und ging dann hinaus hinter den Tresen, um sich die Show anzusehen. Das tat er jedes Mal, denn er mochte die Show und applaudierte darum auch immer fleißig nach jeder Nummer.
Wir waren fassungslos.
Nun allesamt selbst einer Ohnmacht nahe, aber unfähig, in der kurzen Zeit das Käsepapier aus der Gitarre zu fischen, absolvierten wir schwankend den Rest der Darbietungen, um dann beim Finale abermals neben Juan Tabasco zu stehen, der im Takt der Schlussmusik fröhlich klatschte und so die gute Stimmung im Publikum noch steigern konnte. Ein Vollprofi. Ein Vollprofi, der sich an diesem Tag mal gedacht hatte, dass er sich ja zum Finale auch die Gitarre umhängen könnte …
Da seid ihr aber schön selber schuld gewesen.
Ich WEISS das, Heinz. Ich weiß das sehr genau. Aber es ist noch nicht vorbei.
Hätt’ mich jetzt auch gewundert.
Wir versuchten es mit Reden. Wir sprachen zu Juan Tabasco und baten ihn, sich doch vielleicht noch einmal das Original anzuhören. Juan Tabasco erwiderte, er kenne das Original in- und auswendig und nur deswegen könne er es auch so täuschend echt wiedergeben.
Wir schlugen ihm andere Lieder vor. Aber Juan Tabasco war ein vollprofessioneller Vollprofi und war darum fest entschlossen, für immer und ewig exakt dieses Lied zu spielen, das ihm sein Chef Heinz Bründl am Anfang der Saison ans Herz gelegt hatte.
Ich hab das Lied früher wirklich sehr gern gehört.
Früher …
Ja, früher.
Also griff man schließlich zu drastischen Mitteln, genauer gesagt zu drastischem Werkzeug. Wieder einmal war es Zeit für die Saloonshow, wieder einmal ertönte das »WuiWui«, und abermals machte sich die Agonie im Backstage-Bereich breit, als Frankie plötzlich an uns vorbeipolterte und einfach die Bühne betrat. Ich stürmte hinaus hinter die Bar, um zu sehen, was er tun würde! Natürlich war mein erster Impuls, Juan Tabasco vor dem ebenso wütenden wie verzweifelten Schmied zu retten, aber ich hatte mich schnell eines Besseren besonnen, denn vielleicht hörte Juan Tabasco ja auf zu singen, wenn man ihm ruckartig den Kopf auf den Rücken drehte. Viel Hoffnung hatte ich da nicht, aber es war einen Versuch wert.
Zu unser aller Schrecken zückte Frankie mitten auf der Bühne vor vollbesetztem Saal eine große, schwarze Eisenschere … hob sie über den Kopf … Juan Tabasco sah ihm zu, lächelte und sang … die armlange Schere sauste hinab … knapp an Juans Halsschlagader vorbei … vorbei an seinem Brustkorb … mitten hinein in die Saiten der Gitarre. Frankie drückte zu und durchtrennte mit einem lauten SPROING alle sechs Saiten auf einmal.
In die Stille hinein sprach er mit
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