Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
ich, der ich solcherlei Mitmachkram wirklich noch mehr verabscheue als bräunlich matschige Bananen, ging während meiner Zeit als Angestellter in No Name City immer und immer wieder hinunter in das Erdhaus und machte einfach mit. Wer mich heute kennt, kann das vermutlich kaum fassen. Aber ich genoss diese ganz spezielle Aura von »Buffalo Child«, seine Ruhe und Gelassenheit und seine Fähigkeit, die verschiedensten Menschen mühelos dazu zu bringen, sich in seinem Erdhaus an den Händen zu fassen und im Kreis herum zu tanzen. Niemand hatte mich je zuvor oder irgendwann danach dazu gebracht, einen anderen Menschen freiwillig überhaupt anzufassen.
Ich bin von Natur aus weder besonders gesellig noch in irgendeiner Form an spirituellen Begegnungen interessiert. Angefasst wird schon gleich gar nicht, und gemeinsam getanzt wird erst recht nie, niemals, nicht mit niemandem, ever! Ich kann nicht einmal alleine auf einer Tanzfläche tanzen, weil ich dann immer aussehe, als würde ich das Lied singen, und mich ganz schnell peinlich finde. Die einzigen Momente, in denen ich mich zu Musik bewege, finden auf der Bühne statt, wenn ich mit meiner Band »Harpo Speaks!!« auftrete. Aber ansonsten … tja, ansonsten gab es da eben nur Buffalo Child und sein »Indian Girl«. Da ging es. Verrückt.
Auch die Wirkung, die der Nici auf Frauen hatte, war unglaublich.
Ja, das stimmt. Die sind damals fast in Ohnmacht gefallen, wenn er sie an den Handgelenken angefasst und dann so indianisch angeschaut hat.
Seine Standardfrage war immer: »Wie heißt du?«, und seine Replik war immer: »Schöner Name.« Es war ziemlich egal, wie die Dame hieß, Nici schienen alle Namen zu gefallen.
»Wie heißt du?«
»Brechdurchfalla Raucherbein.«
»Schöner Name«
Oder er war einfach charmant.
Oder es war ihm ein bisschen wurscht.
Der hat pro Tag Hunderte Namen gehört, natürlich war’s ihm wurscht.
Und ehrlich gesagt ist das auch egal, denn der Nici war einfach großartig. Eine fantastische Bereicherung für No Name City und auch danach noch, als wir mit dem Red Grizzly Saloon herumgereist sind.
Wie alt ist der Nici jetzt?
Der müsste jetzt neunzig Jahre alt sein …
… und immer noch aussehen wie vierzig.
Der ist in der Zeit bei mir kein Jahr gealtert, zumindest hab ich nix davon bemerkt.
Ist das ein indianisches Geheimnis?
Er hat immer gesagt: »Nix rauchen, nix saufen.« Ganz einfach.
Was ist daran einfach?
Silkirtis Nichols alias Nici alias Buffalo Child ist bis heute aktiv und zusammen mit seiner Ehefrau Liselotte Wegner-Nichols eigentlich immer irgendwo in der Welt auf Tournee.
Ich wünsche mir, dass er noch viele tausend Handgelenke nach ihrem Namen fragen kann und unzähligen Tanzmuffeln sein »Indian Girl« ins Langzeitgedächtnis einbrennt. Er bereichert mein Leben. Einfach nur, weil es ihn gibt.
Kapitel 35: Der Krenzola
oder: Geier, Gänse und Konsorten
Von Heinz Bründl
A uf einen unserer Mitwirkenden war ich besonders stolz: auf den Wolfgang Krenzola mitsamt seiner Kleintiernummer.
Wolltest du nicht von der Erdhütte erzählen?
Ja, gleich.
Der Krenzola kam, soweit ich mich erinnere, auf Volkers Empfehlung zu uns, der den Krenzola und seine Nummer noch aus seiner Zeit als Requisiteur beim Zirkus Krone kannte.
Wir fuhren zusammen nach Paris, wo der Wolfgang Krenzola zusammen mit seinen ganzen Viechern das Winterquartier bezogen hatte. Irgendwo gibt es sogar ein Foto, auf dem Kyra auf meinen Schultern sitzt und ich sehr unentspannt dreinschaue.
Kyra war dieser riesige Geier, oder?
Genau, aber den gibt es noch, die werden ja gerne mal achtzig Jahre alt.
Die Mönchsgeierdame Kyra wurde angeblich von ihren Eltern verstoßen, genau weiß ich die Geschichte nicht mehr. Auf jeden Fall hat sich der Krenzola ihrer angenommen, und die Kyra ist bei ihm im Zirkus aufgewachsen. Dieses Tier hat die gigantische Flügelspannweite von knapp drei Metern, und wer seinen gebogenen, scharfen Schnabel direkt neben dem Ohr hat, schaut automatisch unentspannt.
Das Problem war, dass ich den gar nicht hätte bezahlen können, denn er war mit seiner Tiernummer ein richtiger Star. Aber Wolfgang Krenzola erklärte mir, dass er nach so langer Zeit das Reisen satthabe und gerne mitsamt seinen Tieren sesshaft werden würde. Er bräuchte nur einen Platz für den Wohnwagen und ein nettes Gehege für die Tiere. Das konnte ich ihm bieten. Wir hatten genug Platz, und eine fest installierte Bühne im Biergarten neben dem Saloon war auch kein
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