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Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Titel: Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis , Heinz J. Bründl
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dünne Lippen. Ausgeschaut hat er ja super, der Wamblee – aber eben nur innerhalb von No Name City. Außerhalb der Westernstadt hat man einen Bogen um ihn gemacht, weil er aussah, als würde er jedem gleich ein Bowiemesser zwischen die Rippen rammen, weil ihm irgendwer gesagt hat, dass jeder Mensch ein Hobby brauchte.
    Als die wartenden Menschen vor dem KVR stillschweigend eine Gasse bildeten, um uns nicht zu nahe zu sein, wusste ich einfach, dass das wieder eine von diesen Situationen ist, die man nicht vergisst. Und das war dann der Moment, in dem mich so eine seltsame Ruhe erfasste …
    Die Ruhe vor dem Sturm?
    Nein, ich meine was anderes.
    Ich meine diese Ruhe, die man irgendwann erlangt, wenn man viel zu oft in Situationen war, die einem wie ein Fiebertraum vorkommen. Oder wie ein schlechter Film. Bis dahin war es eigentlich immer so gewesen, dass ich innerhalb dieser Situationen viel zu beschäftigt war, um sie zu einem guten Ende zu bringen. Aber an diesem Tag bemächtigte sich meiner diese ganz spezielle Ruhe. Und das fühlte sich wirklich gut an.
    Ich schaute mir selber zu, wie ich an der Seite dieses Achtel-Indianers durch die Glastüren des Kreisverwaltungsreferats trat. Und ich musste dabei lächeln. Vermutlich sah ich dadurch für die Wartenden in den endlosen Gängen aus wie ein Wahnsinniger, aber das war mir wurscht. Denn was sollte schon passieren? Wir würden eine Nummer ziehen, sehr lange herumsitzen, Leute würden uns anstarren, und irgendwann würde es »bing« machen. Dann würden wir durch die Tür an den Schalter treten, jemand würde uns kurz zuhören, dann lange anschauen, mitleidig den Kopf schütteln und schließlich rausschmeißen. Dann könnten wir wieder zurück nach No Name City fahren, und ich hätte meine Ruh. Wunderbar.
    Lass mich raten, genauso ist es dann gekommen.
    Nein.
    Nein?
    Nein.
    Also, zunächst schon. Wir gingen an den Wartenden vorbei, bis zum Abschnitt für die Buchstaben L–M, für Mehudi. Dann zogen wir eine Nummer und steuerten auf eine der Bänke zu. Sofort standen einige Leute auf, als hätten sie plötzlich in einem der anderen Gänge was liegengelassen oder gerade einen alten Freund erspäht. Die anderen starrten uns einfach nur an. So weit, so zu erwarten. Dann machte es »bing«, wir standen auf, traten durch die Tür und … also, ab da war der Ablauf dann doch etwas anders.
    Der Beamte ist aus dem Fenster gesprungen?
    Nein.
    Okay, ich geb’ auf.
    Der Beamte schaute ein paar Mal stumm am Wamblee rauf und runter. In die Stille hinein fing ich an zu erklären, was der Wamblee wollte: »Dieser Herr möchte seinen Namen ändern.« Der Beamte nickte nur. Ich weiter: »Er heißt Raoul Me…«, und da wusste ich schon, was kommen würde. Der Wamblee widersprach aus Reflex sofort: »Wamblee! Name is Wamblee«, sagte er und deutete auf sich.
    Ich nickte und fing noch mal an: »Also das ist der Wamblee, und er heißt eigentlich Raoul …« Weiter kam ich nicht, denn der Wamblee wedelte wieder energisch mit dem Finger. Er wollte einfach nicht mehr Raoul genannt werden. Das war für ihn Geschichte. Deswegen war er ja hergekommen. »Wamblee!«, rief er. »Name is Wamblee!«
    Ich holte Wamblees Ausweis raus, legte ihn hin und deutete drauf: »So heißt er.« Der Beamte schaute auf den Pass und sagte dann mit heiserer Stimme und einem starken bayerischen Akzent: »Des … des is a französischer Pass …«
    Ich nickte und lachte ein bisschen, weil mir grad danach war. Dann nahm ich noch einmal Anlauf: »Also den Namen da drauf …, den will der Herr Mehu…, ich meine der Wamblee, nicht mehr haben.«
    »Den will er nicht mehr haben?«
    »Nein. Er will ab sofort Wamblee heißen.«
    »Wembley?«
    »Wamblee.«
    »Wem…«
    »Wam.«
    »Wam… bley?«
    »Blee. Mit zwei ee hinten dran.«
    Und dann sagte der Wamblee: »Tatanka.«
    Und der Beamte und ich schauten ihn an.
    »Wamblee Tatanka«, sagte der Wamblee, und ich wurde urplötzlich sehr müde. Von einem Nachnamen hatte er vorher nix gesagt.
    Tatanka … aber das heißt doch nicht »Adler«, sondern …
    »Büffel.« Genau.
    Raoul Mehudi wollte sich umbenennen in »Adler Büffel«. Auf Sioux. Na, von mir aus. Das war dann auch schon egal. Ich nickte nur mit trübem Blick und versuchte, das dem Beamten zu erklären – also, dass das indianisch ist und dass der Herr Mehudi …
    Name is Wamblee!
    … richtig, also dass der Wamblee ab sofort Wamblee Tatanka heißen will. Und das war der Moment, in dem der Mann vom KVR

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