Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
mit Walters Promillewert.
Der kleine Zug sprang aus den Gleisen, die Kinder schrien, der Esel auch, und Walter stolperte aus der Lok auf den Schotter. Neben ihm der verräterische Flachmann und um ihn herum der dazugehörige Odor von genossenem wie verschüttetem Alkohol. Und während die Kinder kreischend und weinend in alle Himmelsrichtungen rannten und ihre Eltern suchten, der Esel ganz erbärmlich schrie und die Lok sich gemütlich im Erdwall festfuhr, lag der Walter auf dem Boden und versuchte zu retten, was zu retten war. Und das war in dem Fall leider nur der Flachmann.
Dem armen Esel hat er bei dem Unfall auch noch einen Hax gebrochen, der Depp.
Das wusste ich gar nicht!
Ja klar, und die Kinder haben das alles mitbekommen, weil das arme Viech ja gebrüllt hat. Und am schlimmsten war, dass das kein Esel war, sondern eine Eselin, und die war auch noch trächtig.
Ach, du lieber Gott …
Aber unser Tierkönig, der Klaus Ortner, hat sie wieder hochgepäppelt, der Hax ist super verheilt, und das Fohlen kam gesund und munter auf die Welt.
Puh. Das sagst du jetzt aber nicht nur so für das Buch?
Nein, das stimmt wirklich. Kannst die Angie fragen, die die Pferde damals betreut hat. Alles gut. Aber mei, war die vielleicht sauer. Die hat danach mit dem Walter kein Wort mehr geredet.
Da konnte er sich ja schon mal auf seinen nächsten Job einstellen.
Da hast du recht.
In den darauffolgenden Monaten redete wirklich keiner mehr mit dem Walter. Das lag aber nur im Fall von der Angie an dem Unfall, für uns andere lag es an dem simplen Umstand, dass Winterpause war und der Walter vom Heinz als Platzwart eingesetzt worden war. Mit anderen Worten, es war einfach niemand da, mit dem der Walter hätte reden können.
Das stimmt so nicht.
Ich weiß doch, das sollte doch die Überleitung sein.
Na gut, dann leit’ jetzt über.
Ja, Chef.
Walter Lindemann war also den ganzen Winter über verdammt einsam, und wenn ich jetzt an ihn denke, tut er mir echt leid. Wen wundert es da, dass er neben dem Alkohol und der Fernbedienung vom Fernseher nur noch zum Telefon greifen konnte?
Damals kamen gerade diese Sex-Hotlines auf …
Und die Fernsehwerbung dafür …
Und dann noch der Alkohol …
Stellen Sie sich mal vor, sie sitzen in einer Holzhütte, die man nur mit Holz heizen kann, vor einem kleinen Fernseher. Sie sind seit Tagen sturzbetrunken, und irgendwann befielt Ihnen eine unbekleidete Dame: Ruf. Mich. An. Was machen Sie dann?
Genau. Und das tat der Walter eben auch. Ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz oft.
Wie viel hat dich denn der Platzwart in dem Jahr gekostet?
Können wir bitte von was anderem reden?
Jetzt sag halt.
Ich wollt doch von der Erdhütte erzählen.
Du lenkst ab.
Ja, weil ich sonst wieder sauer werd’. Mir geht schon wieder der Hals zu, wenn ich da dran denk.
Dann erzähl schnell von der Erdhütte.
Gern.
Kapitel 39: Eine Westernstadt?
Oder: Da ist die Tür
Von Heinz Bründl
Ich hab noch gar nicht erzählt, wie wir eigentlich mit unserer Westernstadt nach Poing gekommen sind, oder?
Nein, hast du nicht, Heinz. Aber das Buch ist ja noch nicht zu Ende.
Dann geh ich jetzt für einen Moment zurück in die Anfangszeit, als wir einen Platz suchten, auf den wir eine No Name City bauen konnten. Es war ja nicht gerade so, dass die Gemeinden auf uns gewartet hätten. Der Wilhelm P. und ich zogen von Rathaus zu Rathaus und von Gemeinderat zu Gemeinderat, aber überall war es das gleiche Spiel.
Aufgrund der Referenzen vom Herr P. und des Wortes »Freizeitpark« bekamen wir eigentlich überall recht einfach einen Termin.
Wir traten in kleinen Rathäusern von Orten mit Namen wie zum Beispiel Großdingharting an. Der Bürgermeister begrüßte uns und stellte die anderen Leute vor, unter denen auch immer gleich einer von der Brauerei war. Dann redeten wir ein bisschen über dies und das, das übliche Vorgeplänkel eben. Dann kam die Dame mit dem wässrigen Kaffee, und das war das Zeichen, dass es jetzt gleich losgehen würde. Von da an konnte man eigentlich von maximal 50 rückwärts zählen, bis wir wieder auf der Straße standen.
Warum?
Na, weil ich die Zauberformel gesagt hab.
»Der Kaffee schmeckt scheiße?«
Nein. »Wir bauen eine Westernstadt.«
Ah. Okay.
Nach »…stadt« war erst einmal Ruhe, dann machte irgendwer so was ähnliches wie »Ahaaaa …«, und dann war der Termin eigentlich so gut wie beendet.
Bald saßen wir mitsamt unseren Plänen und Zeichnungen wieder
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