Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Titel: Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis , Heinz J. Bründl
Vom Netzwerk:
Aussprache so sehr für alle ihm folgenden Generationen, dass jeder, der nach ihm die Ehre hatte, sich vom Wunderdoktor heilen zu lassen, diesen Satz exakt so sprach wie er. Mit einem völlig unverständlichen, tirolerisch-feuchten »Doounnichhhkum« in der Mitte.
    Beerbt wurde der Foto-Peter in beiden Rollen gelegentlich von mir, aber vor allem von Walter Lindemann. War der Foto-Peter prägend für die Aussprache des Tonikums, so war der Walter prägend für alle Darstellungen eines Betrunkenen, die ich irgendwann spielen würde. Der Grund hierfür war, dass Walter Lindemann stets voll war wie die sprichwörtliche Strandhaubitze. Ähnlich diesem Steilfeuergeschütz, das in Küstennähe positioniert schon mal voller Wasser und Sand laufen konnte, wenn der zuständige Kanonier gerade mal ein bis tausend Buddel voll Rum zwitschern war, ließ sich auch Walter Lindemann des Öfteren volllaufen. Aber weder mit Wasser noch mit Sand, sondern mit allem, was das Regal an der Supermarktkasse so hergab.
    Nun sah Walter Lindemann aber auch wirklich aus, als hätte ihn Mutter Natur extra für das Kuriositätenkabinett vom Heinz geschnitzt. Er war relativ groß, dabei sehr hager, etwa 50 Jahre alt – oder erweckte zumindest den Anschein –, und im Oberkiefer fehlten ihm die ausschlaggebenden vier Vorderzähne. Das kaschierte er höchst ungenügend, aber gerade dadurch eben sehr passend für die Westernstadt mit einer buschigen, grauen Rotzbremse unter der Nase. Zusammen mit seinem markanten Zinken, der schwarzen Weste auf weißem Hemd und einem leuchtend roten Binder ergab sich so das wirklich perfekte Bild eines etwas durchlebten, ergrauten Gentlemans, der aufgrund seiner Liebe zum Alkohol ein paar Mal zu oft in anderer Leute Schläge hineingelaufen war. Oder in die nahende Postkutsche.
    Der war der beste Fotograf, den ich jemals gehabt hab.
    Der authentischste.
    Mit Abstand. Der war super in der Rolle.
    Betonung liegt auf » der Rolle«, oder?
    Ja, schon.
    Denn für die anderen Rollen oder Aufgaben, mit denen man Walter betraute, wäre es wirklich von Vorteil gewesen, wenigstens halbwegs nüchtern zu sein. Das war er natürlich schon auch gelegentlich, aber eben nicht immer. Er war es zum Beispiel schon, als man ihm eine Ballonmütze aufsetzte und anwies, ab sofort die kleine Bimmelbahn zu steuern, mit der man einmal rund um No Name City herumfahren konnte. Dieser Job beschränkte sich auf vier Dinge:

    Starten!
    Schauen!
    Bimmeln!
    Stoppen!
    Diese vier Dinge wurden ihm sehr deutlich immer und immer wieder eingebleut, bis Walter irgendwann meinte, er sei doch kein Idiot.
    Genervt rekapitulierte er noch einmal vor seinem Chef, was man als Lokführer zu tun hatte: Man startete die Lok, fuhr los und schaute dabei nach vorne. War irgendetwas auf den Schienen, stoppte man und bimmelte, bis es weg war. Dann startete man wieder. So simpel, so nachvollziehbar.
    Eigentlich schon, möchte man meinen.
    Ja, es wirkt erst mal recht einfach.
    Entsprechend gut ging das auch eine Zeitlang, bis der Walter irgendwann ein paar Esel auf den Schienen entdeckte. Das war in dem Fall kein Trugbild wie vielleicht die berühmten rosa Elefanten, denn wir hatten wirklich Esel in No Name City.
    Brav stoppte er also und bimmelte, um die Tiere dazu zu bewegen, den Weg frei zu machen. Die Kinder im Zug sahen belustigt zu, wie Walter bimmelte und bimmelte. Schließlich waren die Schienen wieder esellos und Walter startete sofort den Bummelzug. Gerade kam ihm in den Sinn, sich vielleicht doch noch einen Schluck aus dem immer griffbereiten Flachmann zu genehmigen, als die Kinder plötzlich begannen, wie verrückt zu schreien und zu deuten! Walter ließ den Flachmann fallen, saute seine Finger und die Hemdsärmel dabei mit Hochprozentigem ein, starrte erschrocken nach vorne und sah: Da war schon wieder alles voller Esel! Und je näher er kam, desto wuseliger verhielten diese Tiere sich! Sie sprangen, wohl aufgeschreckt durch das aufgeregte Geschrei der Kinder, wild durcheinander. In dieser Sekunde vergaß Walter die vier Dinge, die man ihm eingetrichtert hatte. Panik ergriff ihn, er fing an zu zittern, griff den Start/Stopp-Hebel, der glitt ihm aus den alkoholisierten Fingern, der Zug fuhr ungehindert weiter und … prallte dann auf den einzigen Esel der Herde, der auch tatsächlich real anwesend war. Alle anderen Tiere hatte nur der Walter gesehen, und sie hatten sich eben entsprechend mit bewegt: Äquivalent zur Bewegung des Originaltieres multipliziert

Weitere Kostenlose Bücher