Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Danebenklatschen stören ließ. Mein Favorit war und ist:
Earl & Pam
eat Toe-Jam,
klatsch-klatsch-klatsch-klatsch
Deep in the Heart of Texas
Ohne Rücksicht auf Reim und Versmaß übersetzt hieße das: »Earl und Pam essen Fußkäse – tief im Herzen von Texas«, und auf eine gleichsam wunderliche wie konsequente Weise trifft das irgendwie auch die Tonalität des gesamten Songs. Man kann sich förmlich vorstellen, wie Earl und Pam vor ihrem Wohnwagen in einem Trailerpark auf ein paar alten Autoreifen hocken und mit dümmlichem Glucksen zwischen ihren Zehen herumzupfen, während aus dem Radio dieser Song scheppert.
Das versteh ich ja noch irgendwie grad so, aber »Country Roads« wollen die Leute eben hören.
Sie haben es doch dann auch brav gespielt.
Ja, aber sie haben es unseren tschechischen Schmied, den Frankie, singen lassen!
Der hat das doch gut gesungen.
Ja, aber auf Tschechisch!
Dank ihm kann ich den Refrain heut noch. Da war ich beim Dreh für prosieben in Prag ganz kurz der große Star.
Das freut mich für dich, aber dafür hatte ich die Band nicht engagiert.
Ich kann den Heinz natürlich auch verstehen. Die Band im Saloon war dafür da, dass die Leute Spaß hatten, tanzten, schwitzten, soffen, soffen und soffen. Bei »Shady Mix« war es gelegentlich so konzertant, dass man meinte, es handle sich um eine gesetzte Kulturveranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion. Es kam schon mal vor, dass das Publikum schweigend im Saloon saß, den Blick starr nach vorne auf die Bühne gerichtet, um keinen der perfekt gesetzten Glissandi, Arpeggien und Satzgesänge zu verpassen, um dann freilich nach jedem Song in frenetischen Applaus zu verfallen.
Besonders unpartymäßig und nicht im Sinne der Geschäftsführung waren dann erst recht die Eigenkompositionen von Wil Maring.
In meiner Erinnerung sind da in den Liedern dauernd Leute gestorben …
Ja, nicht direkt.
Aber indirekt.
Nun gut, in »The Pal I left behind« ging es um das Pferd, das Wil herzzerreißenderweise in den USA zurücklassen musste. In einem meiner absoluten Lieblingslieder namens »It’s raining« stellte sie die Frage, ob sie jemals wieder die Sonne sehen würde.
In irgendeinem Lied ist auch irgendein Trainer gestorben.
Und war da nicht was mit einem Hund? Auch sehr traurig?
Jaja, alles wunderschön, aber niederschmetternd. Nicht das, was ich mir so für den Samstagabend im Saloon vorgestellt hatte.
Zugegeben, wer Englisch konnte, war ob der Melancholie recht schnell deprimiert, und wer das nicht konnte, war es auch, weil er stundenlang warten musste, bis er endlich Klatsch-klatsch-klatsch klatschen durfte.
Schließlich sprach der Heinz ein Machtwort, und »Shady Mix« öffnete sich den Anforderungen der Location zumindest so weit, dass ein Schlagzeuger und ein weiterer Gitarrist dazugeholt wurde, der auch gelegentlich zur E-Gitarre greifen durfte. So präsentierte sich die Band bald deutlich sinnstiftender, und Wil Marings eigene Songs konnten umso mehr glänzen, weil sie nun zwischen den reißerischeren Gassenhauern als wohltuende Abwechslung wahrgenommen wurden.
Auch die höchst verstörende Interpretation des Banjospielers Obi Bartmann von »Seemann, lass das Träumen« zählte bald zu den abendlichen Highlights, und Marks staubtrockener Humor schleifte sich so weit ein und um, dass es irgendwann auch für das Publikum möglich war mitzulachen.
Als ich mit diesem Kapitel beginnen wollte, suchte ich auf iTunes nach Wil Maring und fand ein Album namens »An Ocean from Home«, auf dem sich fast alle Songs von damals in ganz wunderschönen Versionen finden. Passenderweise geht es gleich im ersten Song um eine Flut, um viele große und kleine niederschmetternde Dramen und die Frage, ob man nicht vielleicht einfach aufgeben sollte.
Wie typisch, dachte ich mir und grinste in mich hinein, während ich die ersten Worte schrieb.
Aber dann kam der Refrain, und ich stellte fest, dass er mir bis dato nie wirklich aufgefallen war, obwohl er doch gleichzeitig der Titel des Songs ist. Er dreht die gesamte Litanei auf den Kopf, und erzählt eben nicht vom Aufgeben, sondern vom unerschütterlichen Glauben an sich selbst und daran, dass letztlich gefälligst alles gut werden wird. Es heißt dort, simpel, effektiv und dabei eben ganz und gar nicht niederschmetternd, sondern hoffnungsfroh und ungebrochen:
»Things will be better next year«
Das Lied hat mir eigentlich immer sehr gut gefallen.
Mir auch.
Kapitel 41: Ein Erdhaus
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