Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
schon toll. Bis ich dann zum letzten Haus kam, das neben dem Bahnhof.
Links neben dem Bahnhof?
Nein, rechts neben dem Bahnhof.
Aber …
Richtig.
Rechts neben dem Bahnhof war kein Gebäude. Das hatten wir vergessen.
Ihr habt wochenlang gebaut …
Ja.
Immer wieder auf den Plan geschaut …
Tausendmal oder öfter.
Und dann, als ihr fertig wart, hast du gesehen, dass ein Haus fehlt?
Ja, aber wir haben es dann eben weggelassen.
Heinz, ihr habt es vorher schon weggelassen.
Ja, aber jetzt absichtlich.
Im Nachhinein.
Ja, im Nachhinein haben wir es absichtlich weggelassen.
Ich fand es auch ohne das fehlende Haus schön. Ich weiß nicht einmal mehr genau, was da eigentlich geplant gewesen war, aber es hat im Endeffekt gar nicht gefehlt. Ich glaube, Garderoben für das Personal oder so was.
Darum waren wir zu fünft in einem einzigen winzigen Raum? Weil du ein ganzes Haus vergessen hast? Wir hätten ein ganzes Haus haben können!?
Nein, eben nicht.
Was? Wieso »eben nicht«?
Weil wir es ja dann letztendlich doch absichtlich weggelassen haben.
Heinz, das ist unlogisch!
Macht aber keinen Unterschied.
Für mich schon.
Für mich nicht.
Kapitel 40: Die Band, die Band!
Oder: Earl and Pam eat Toejam
Von Tommy Krappweis
A ls ich nach No Name City kam, spielte dort anfangs eine Band namens »No Name City Gamblers« – allesamt hochprofessionelle und talentierte Musiker, die das »Best of Country & Western« auch im Schlaf heruntergespielt hätten. Mag sein, dass das manchmal sogar zutraf, wer konnte es ihnen verdenken. Für meine Zeit prägend aber war die nachfolgende Formation mit dem klingenden Namen »Shady Mix«. Im Gegensatz zu typischen Countrybands hörte man hier anfangs kein Schlagzeug und keinen E-Bass, sondern einen gezupften Kontrabass, akustische Gitarren, ein Banjo und dazu ausgefeilte, mehrstimmige Satzgesänge, da sich »Shady Mix« vorrangig an der Stilrichtung des Bluegrass orientierte. Fiddler und Mandolinist Mark Stoffel gewann bereits im Jahr 1991 das Illinois State Fiddle Championship, einige Jahre nach der später mit 27 Grammys ausgezeichneten Alison Krauss. Bassist Willie Jones war nicht nur ein großartiger Sänger, sondern auch eine imposante Erscheinung, und die Formation war zudem mit der fantastischen Sängerin und Songschreiberin Wil Maring als Frontfrau gesegnet. Zusammen zeigten sie eindrucksvoll, auf welch hohem Niveau man Countrymusic spielen kann, ohne jemals verkünstelt oder technisch zu wirken. Und trotzdem waren sie in dem Saloon von No Name City eigentlich … na ja, falsch.
Erst einmal kam der Schlagzeuger immer in T-Shirt und Turnschuhen.
Für dich ein rotes Tuch.
Da werkelt man jahrelang, damit alles authentisch wirkt, und dann kommt der mit seinem Lacoste-Fetzen.
Das ließ sich noch vergleichsweise einfach bereinigen, aber eine deutlich größere Aufgabe stellte das Repertoire und der damit verbundene Anspruch der Musiker dar. Die üblichen Gassenhauer wie »Country Roads« hingen uns allen schon längst aus den Ohren raus, da wir sie täglich mehrfach immer und immer wieder hören durften. Aber für »Shady Mix« stellte es scheinbar eine regelrechte Überwindung dar, diese heruntergenudelten Titel zu interpretieren. Besonders augenfällig wurde diese Abneigung bei besonders stupenden Titeln wie »Deep in the Heart of Texas«.
Bei diesem Song ist es fast egal, wie wackelig man ihn herunterrotzt, ob man immer die gleiche Strophe singt oder irgendetwas rudimentär Reimendes dazu gröhlt – wichtig ist nur, dass man an der richtigen Stelle eine Pause macht, für das »Klatsch-klatsch-klatsch-klatsch – Deep in the Heaaaart of Texasss!«. Dem Titel haftet etwas Karnevalistisches an, so ähnlich wie dem Ententanz oder anderen Mitmachkamellen wie »Rucki-Zucki«, ähnlich subtil wie »Humba Täterä«.
Textliche Tiefgriffe wie
The cowboys cry, »Ki yippee yi!«,
deep in the heart of Texas
oder das in seiner Einfachheit fast schon bestechende
The dogies bawl, and bawl, and bawl,
deep in the heart of Texas
sorgen auch beim professionellsten Musiker nach dem hundertsten Mal Absingen für glasige Augen und einen trüben Blick auf das, was wohl morgen kommen mag. Das Gleiche nämlich und Klatsch-klatsch-klatsch-klatsch.
So war es eben auch allzu menschlich und für uns alle sehr unterhaltsam, dass Mark Stoffel manchmal nicht an sich halten konnte und die Strophen umdichtete. Natürlich ohne dass irgendwer davon Notiz nahm oder sich beim
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