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Vier Frauen und ein Mord

Vier Frauen und ein Mord

Titel: Vier Frauen und ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sah sich um, und alle nickten beifällig.
    »Aber dennoch wurde das Bild nicht zerstört. Nein, es wurde nicht vernichtet! Das weiß ich – weil ich es gefunden habe. Ich habe es vor ein paar Tagen gefunden. Ich habe es in diesem Hause gefunden. In einer Schublade des Schreibtischs, den Sie dort an der Wand stehen sehen. Ich habe es hier.«
    Er hielt die verblichene Fotografie eines dümmlich grinsenden Mädchens mit Rosen hoch.
    »Ja«, sagte Poirot, »es ist Eva Kane. Und auf der Rückseite stehen in Bleistiftschrift zwei Worte. Soll ich Ihnen sagen, was darauf steht? ›Meine Mutter‹…«
    Seine ernsten, anklagenden Augen ruhten auf Maureen Summerhayes. Sie schob sich das Haar aus der Stirn und sah ihn mit weit aufgerissenen erstaunten Augen an.
    »Das verstehe ich nicht. Ich hab doch nie…«
    »Nein. Mrs Summerhayes, das verstehen Sie nicht. Es kann nur zwei Gründe für die Aufbewahrung dieses Bildes nach dem zweiten Mord geben. Die erste ist unschuldige Sentimentalität. Sie hatten kein Schuldgefühl, also konnten Sie das Bild aufbewahren. Sie haben uns selbst, damals bei Mrs Carpenter, erzählt, dass Sie als Kind adoptiert wurden. Ich bezweifle, dass Sie den wahren Namen Ihrer Mutter je gehört haben. Aber jemand anderer wusste ihn. Jemand, der einen großen Familienstolz besitzt – einen Stolz, der ihn sich an das Haus seiner Ahnen klammern lässt, Stolz auf seine Abstammung. Dieser Mann würde lieber sterben, als dass er die Welt – und seine Kinder – erfahren ließe, dass Maureen Summerhayes die Tochter des Mörders Craig und der Eva Kane ist. Dieser Mann, habe ich gesagt, würde lieber sterben. Aber das würde nicht viel nützen, nicht wahr? So wollen wir lieber sagen, dass wir hier einen Mann haben, der bereit ist zu töten.«
    Johnnie Summerhayes stand auf. Als er sprach, war seine Stimme ruhig, fast freundlich.
    »Sie reden ziemlich viel Unsinn, nicht wahr? Macht Ihnen wohl Spaß, eine Menge Theorien zu erzählen? Theorien, sonst nichts. Sagen da Sachen über meine Frau…«
    Plötzlich brach sein Zorn los wie eine wütende Springflut.
    »Sie verdammtes, dreckiges Schwein…«
    So schnell sauste er durch den Raum, dass er alle überraschte. Poirot trat flink zurück, und Kommissar Spence stand plötzlich zwischen Poirot und Summerhayes.
    »Aber, aber, immer mit der Ruhe, Major Summerhayes… immer mit der Ruhe!«
    Summerhayes hatte sich wieder in der Gewalt. Er zuckte die Achseln und sagte: »Tut mir leid. Wirklich lächerlich. Aber schließlich – jeder kann eine Fotografie in eine Schublade stecken.«
    »Sehr richtig«, bestätigte Poirot. »Und das Interessante daran ist, dass diese Fotografie keine Fingerabdrücke aufweist.«
    Er machte eine Pause, dann nickte er freundlich.
    »Aber sie hätte welche haben müssen«, sagte er. »Wenn Mrs Summerhayes sie aufbewahrt hätte, dann hätte sie sie in aller Unschuld aufbewahrt, also hätten die Fingerabdrücke darauf sein müssen.«
    Maureen rief:
    »Ich glaube, Sie sind verrückt. Ich habe dieses Bild noch nie im Leben gesehen – außer damals bei Mrs Upward.«
    »Es ist Ihr Glück«, meinte Poirot, »dass ich weiß, dass Sie die Wahrheit sagen. Das Bild wurde erst ein paar Minuten bevor ich es fand, in die Schublade gelegt. Zweimal an jenem Morgen wurde der Inhalt der Schublade zu Boden geworfen. Zweimal habe ich ihn zurückgelegt. Beim ersten Mal war das Bild nicht in der Schublade, aber beim zweiten Mal war es dort. Es ist in der Zwischenzeit hineingelegt worden, und ich weiß, von wem.«
    Ein neuer Klang lag jetzt in seiner Stimme. Er war nicht mehr ein lächerlicher alter Mann mit einem grotesken Schnurrbart und gefärbtem Haar. Jetzt war er ein Jäger, der seiner Beute ganz nahe gekommen war.
    »Die Verbrechen sind von einem Mann begangen worden aus dem einfachsten aller Gründe: um des Geldes willen. In Mrs Upwards Haus fand man ein Buch, und auf dem Vorsatzblatt dieses Buches steht ›Evelyn Hope‹. Hope war der Name, den Eva Kane annahm, als sie England verließ. Wenn ihr wirklicher Name Evelyn war, dann gab sie den Namen Evelyn wahrscheinlich auch ihrem Kind, als es geboren wurde. Aber Evelyn ist auch ein Männername, nicht nur einer für Mädchen. Warum hatten wir angenommen, Eva Kanes Kind sei ein Mädchen? Vermutlich, weil der Sunday Comet es annahm. Aber wissen konnte der Sunday Comet es gar nicht, da Eva Kane England vor der Geburt ihres Kindes verlassen hat. So konnte niemand sagen, ob sie später einen Sohn oder eine Tochter

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