Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
anders. Ruso und Mauricio mustern sich auf drei Metern Entfernung: Ruso die Hände in die Hüften gestemmt, Mauricio mit schlaff herunterhängenden Armen. Beide lächeln. Breiten die Arme aus. Fangen an zu lachen. Umarmen sich schier endlos.
Mauricio und Ruso lösen ihre Umarmung und reden, ja schreien drauflos, so dass die anderen Gäste sich zu ihnen umdrehen. Aber das scheint sie nicht zu stören. Cristo lässt sich strahlend zurück auf seinen Stuhl sinken und sieht Fernando an, dem die Kinnlade runtergefallen ist. Mauricio und Ruso reden nach wie vor so laut aufeinander ein, dass gut zu verstehen ist, was sie sagen.
»Und?«, fragt Ruso.
»Geschafft.«
»Wie?«
»Alles unter Dach und Fach.«
»Echt?«
»Na sicher, du Pfeife.«
»Du verarschst mich auch nicht?«
»Nein. Das Ding ist im Kasten.«
Sie umarmen sich erneut. Cristo sieht weiter Fernando an, der nach wie vor starr dasitzt.
»Erzähl. Was haben sie gesagt?«
»Am Anfang war’s das reinste Chaos. Ich dachte schon –«
»Als wir draußen waren, was ist da passiert?«
»Das erzähl ich doch gerade! Am Anfang haben sie mich überhaupt nicht beachtet und untereinander diskutiert.«
»Hat Mario arg zugelangt?«
»Arg zugelangt? Der Junge ist gemeingefährlich! Wie der mich zugerichtet hat! Mir tut alles weh. Der hat mir garantiert eine Rippe gebrochen.«
»Glaub ich nicht.«
»Oh doch.«
»Du warst schon immer eine Mimose. Erzähl lieber, was passiert ist.«
»Also gut. Nachdem ihr rausgegangen seid –«
»Von wegen rausgegangen: unsanft vor die Tür gesetzt.«
»Ja, ja, ist doch egal.«
»Eben nicht, Mann. Die haben uns regelrecht rausgeprügelt.«
»Was soll das hier sein? Ein Wettstreit, wen es schlimmer erwischt hat? Jetzt nerv nicht rum.«
»Darf man erfahren, warum Ruso sich mit diesem Arschloch so prächtig versteht?«, richtet Fernando sich an Cristo.
Cristo lächelt nur. Fühlt sich wie im siebten Himmel. Als er den Job bei Ruso angefangen hat, hätte er sich nie träumen lassen, dass er so was mal erleben darf. Er überlegt, ob er Fernando aufklären soll. Lieber nicht. Er ist hier nur Zeuge.
»Immer mit der Ruhe. Das wird sich alles noch aufklären.«
»Ich scheiß auf die Ruhe.«
Cristo muss nichts entgegnen, weil Fernando sich wieder den beiden anderen zugewandt hat. Ruso hat gerade eine Hand auf Mauricios Schulter gelegt und führt ihn zum Tisch. Cristo fürchtet, Fernando könnte einen Aufstand machen. Tut er aber nicht. Offenbar ist er noch zu perplex. Ruso zeigt auf einen Stuhl.
»Setz dich da hin, Mauri, dann kann man dich von draußen nicht sehen. Nicht auszudenken, wenn dich die Araber hier erwischen.«
Mauricio gehorcht. Fernando ist immer noch ganz baff.
»Erklärt mir endlich mal einer, was hier läuft?« Fernandos Stimme zittert leicht, als könnte er kaum noch an sich halten.
»Hast du den Film Der Clou gesehen?«
Fernando runzelt die Stirn, weil er nun vollends verwirrt ist. Er versucht sich zu fangen.
»Der Film Der Clou geht mir am Arsch vorbei, Ruso. Ich will jetzt endlich wissen, was der hier zu suchen hat. Und warum du dich so prächtig mit ihm verstehst, obwohl er uns alles ruiniert hat.«
»Warte«, will ihn Ruso beruhigen. Cristo begreift, dass Ruso die Geschichte auf seine Art erzählen will, in aller Ausführlichkeit, aber dass es nicht leicht wird, den ungeduldigen Fernando im Zaum zu halten.
»Wie oft haben wir den Clou gesehen, Doktor?«, fragt Ruso Mauricio.
»Uff. Fünfzigmal bestimmt.«
»Der da«, sagt er und zeigt auf Fernando, »hat ihn auch gesehen. Mit uns. Im Ocean in Morón. Was gar nicht leicht war, wegen der Altersbeschränkung ab vierzehn. Aber er erinnert sich nicht mehr dran.«
»Dabei haben wir den Film dreimal hintereinander geguckt«, trägt Mauricio bei.
»Genau«, bestätigt Ruso. »Aber mit ihm über Filme zu reden ist, wie mit dir über Zweitligafußball zu quatschen, Cristo. Nichts für ungut.«
»Schon verziehen«, sagt Cristo, der kein Problem damit hat, seine Schwächen einzugestehen.
»Woran zum Teufel soll ich mich erinnern?«
»An Paul Newman«, sagt Ruso.
»Und an Robert Redford«, fügt Mauricio hinzu.
»Und der Bösewicht war –«
»Warte, ich hab’s gleich … Robert Shaw!«
»Robert Shaw. Meine Fresse, hast du ein gutes Gedächtnis, Mauricio!«
»Ich warte noch immer auf eine Erklärung«, drängt Fernando.
»Kommt, Fer, kommt. Erinnerst du dich noch, dass ich dich neulich nach dem Film gefragt habe?«
»Was? Nein …
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